200 Jahre Qualitätsweinbau an Mosel-Saar-Ruwer

Die Weinbauverordnungen des Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus 1787

von Richard Laufner

Bis in die jüngste Vergangenheit findet sich in der heimischen Weinbau-Literatur der Hinweis, daß der letzte Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus 1787 verordnet habe, den Moselweinbau auf die Rebsorte Riesling umzustellen. So noch 1984. Dennoch enthalten weder die kurtrierischen Hofratsprotokolle vom 27. März, 8. Mai, 25, Oktober 1787, noch die auf die damals im Hofrat gefaßten Beschlüsse zurückgehenden landesherrlichen Verordnungen vom 8. Mai und 30. Oktober einen Hinweis auf die Umstellung auf Rieslingreben,1 sondern ordnen die Ausrottung der schlechten, unter dem Namen „Rheinisch" bekannten Reben und den Anbau von guten Reben an ihrer Stelle an. Darauf habe ich bereits im Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 1972, Seite 118, „Neue Ära im Weinbau" hingewiesen. Die Erweiterung der Unterlagenbasis durch Fotokopien der betreffenden Hofratsprotokolle aus dem Landeshauptarchiv in Koblenz liefert nun die Möglichkeit, das Vorgehen der kurtrierischen Behörden im Auftrag des letzten Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Clemens Wenzeslaus aufzuzeigen.

 

Landwirtschaftsverbesserung

Clemens Wenzeslaus und sein Hofrat bemühten sich seit 1776, durch Verbesserung landwirtschaftlicher Methoden eine Produktionssteigerung im Ackerbau2 und eine Qualitätsverbesserung im Weinbau im Kurstaat Trier in den 1780er Jahren zu erreichen, zum Wohle der Untertanen aber auch zum landesherrlichen Nutzen. Dies galt besonders im Weinbau. War doch der Kurfürst mit über 1 Million Weinstöcken vor der Abtei St. Maximin zu Trier (600.000 Stock) der größte Weingutsbesitzer3 im Trierischen Kurstaat. Der Weinabsatz war damals außerordentlich schlecht. So verkaufte die Abtei St. Maximin in dem Jahr 1785 bei einem Herbst von 309 Fudern nur 3 Fuder, 1786 von 288 Fudern nur 3 Fuder und 1787 bei einem Herbst von 324 Fudern von Weinbergen an Mosel, Saar und Ruwer nichts.4 Die Abtei St. Maximin wird als Musterbeispiel gelten können. 1785 klagen die Trierer Zünfte in einem Schreiben an den Landesherrn: „der Weinhandel, der noch eine Einnahme sein könnte, liege darnieder, weil die fremden Kaufleute wegen der hohen daraufliegenden Steuern sich fernhielten."5 Die Gründe für diesen schlechten Weinabsatz damals dürften jedoch weniger in der hohen Steuerbelastung als in der geringen Weinqualität gelegen haben, welche durch eine schlechte Rebsorte entstand. Im Kurtrierischen Hofratsprotokoll vom 27. März 1787 rügt Geheimrat (1769 - 1791) v. Lassaulx damals folgende Fehler im moselländischen Weinbau:

„Der erste Fehler bei unserem Weinbau besteht darin, daß zuviel Kleinberger gebaut wird. Der zweite Fehler, daß dieser gar noch mit durchaus verwerflichen Trauben „Rheinisch" genannt, vermischt werde. Diese (rheinische) Traube wäre gänzlich auszurotten und dazu die entsprechenden Weisungen an die betreffenden Ämter (damalige Verwaltungsbezirke im Kurstaat von der Größe ca. eines Viertel-Landkreises) zu erlassen. Der dritte Fehler liegt darin, daß die Stöcke zu hoch und bis zu acht Schuh (=2,40m) gezogen würden. Der vierte Fehler liegt darin, daß manche Wingerten in Flächen angelegt sind, die zum Weinwachs gar nichts taugen. Diese müßten ausgerottet werden."6

Geheimrat (1782 - 1794) Frh. v. Münch-Bellinghausen pflichtet seinem Kollegen v. Lassaulx bei der Sitzung bei, ebenso dessen Rat, kein allgemeines Gebot zu erlassen, sondern nach Befragung der erfahrensten und vernünftigsten Einwohner zur Verbesserung der Landwirtschaft für jeden einzelnen Ort Einzelvorschriften anzuordnen.

Kritische Vernunft und Besonnenheit mangelte damals den Geheimräten v. Lassaulx und v. Münch nicht. Manches erscheint uns Heutigen geradezu aktuell! Geheimrat Claudius v. Lassaulx stellt in dieser Hofratssitzung übrigens anheim, mit 500 Setzlingen der „angerühmten Ortsliebischen Traubenstöcken" eine Probe zu machen.

Am 8. Mai 1787 wurde im Hofrat die Formulierung der kurfürstlichen Anweisung an die einzelnen Ämter beschlossen und eine Probepflanzung Ortliebischer Reben (aus dem Elsaß) einstweilen vertagt, da „der trierische Weingartsmann darüber einigen Versuch nicht wohl würde anstellen können, weil ihm noch zur Zeit diese Rebensorte unbekannt sey." Die vom Kurfürst am 14. Mai genehmigte Fassung der Anweisung enthielt erstmalig eine genauere Angabe über die verworfene „rheinische" Traubensorte. „Nachdem Seiner Churfürstlichen Durchlaucht die zuverlässige Nachricht zugegangen, daß hin und wieder eine unter dem allgemeinen Nahmen von rheinisch bekannte Gattun von Weinreben, ihrer besonderen Fruchtbarkeit halber häufig angepflanzet, die davon erscheinende Trauben aber wegen ihrer schlechten Eigenschaft und Säure deme guten Gewächse ungemein nachtheilig werden, und daher ganze sonst vorzüglich beliebte Orts-Markungen mit der Zeit in übelen Ruf gebracht, und von den Käufern gescheuet werden könnten, als ergehet hierdurch an das Amt N.N. die gemessen Churfürstlich Höchste Weisung gestalten, unmittelbar nach eingethanen diesjährigen Herbst die in seinem Amts-Bezirke liegenden Weinberge mit Zuziehung der Vorsteher eines jeden Orts genaues! besichtigen, somit alle darin sich findende Stock von obgedachter schlechter Trauben Gattung lediglich auszurotten, ..."7

Diese kurfürstliche Weisung scheint die Moselwinzer sehr beunruhigt zu haben, wie man aus den Äußerungen von vier „Weingartsbau-Sachverständigen" aus den OrtenZell Pünderich, Briedel und Merl laut Hofratsprotokoll vom 25. Oktober 1787 schließen kann. Die vier Sachverständigen bezeichneten drei Gattungen als rheinisch, darunter auch den sogenannten „dicken Kleinberger," der 30 - 40 Jahre stehen könne, während die „beiden schlechteren Gattungen bei einer nassen Witterung einfallenden Kälte früh abzugehen pflegten." Sie warnten vor einer Ausrottung der schlechten Reben auf einmal, „weil man zu ihrem Ersatz nicht genug Setzholz bekommten könne" und „da die jungen Stöcke vor den siebtem Jahr ihre vollkommene Fruchtbarkeit nicht erlangten, würde der arme Mann (= Kleinwinzer) ... nicht so viel Wein machen, als er zur Beed- (= Landsteuer) und Zins (= Pacht) Lieferung nötig habe. Denn die Zahl der schlechten Stöcken sei wirklich größer als es die Gemeinden aus Besorgung eines üblen Rufs eingestehen wollten." Sie schlugen darum vor, den Winzern mit schlechten Rebsorten eine Zeitfrist von wenigstens sechs Jahren zum Ausrotten zu gewähren, eine künftige Anpflanzung dieser schlechten Rebsorten jedoch bei Strafe zu untersagen. Von diesen Argumenten der Sachverständigen überzeugt, auch weil „die Zahl der schlechten Reben weit beträchtlicher seye, als man sich dieselbe hätte vorstellen können" befürwortete Geheimrat v. Lassaulx sogar einen Zeitraum von sieben Jahren, in dem der Untertan jährlich einen verhältnismäßigen Teil (wohl 1 Siebtel) ausgraben und ihre Stelle mit anderen guten Sorten ersetzen solle, „zum deutlichen Beweis wie unendlich viel daran gelegen seye, daß man unsere unschätzbare Weinkultur mit aller Sorgfalt zu beobachten, die dabei sich einschleichende Mängel, die solche zu weit eingerissen, frühzeitig zu verbessern ... Ursach habe." Das weitere Anpflanzen der schlechten Rebsorten solle bei einer Strafe von 18 Albus (1 Albus etwa 1 DM) je Weinstock verboten sein.

 

Welche schlechten Rebsorten aber waren konkret gemeint?

Der Kurfürst Clemens Wenzeslaus folgte mit seiner Verordnung vom 30. Oktober 1787 der Vorlage seines Hofrates über das Ausrotten der sogenannten „Rheinischen Trauben,"

schloß jedoch, wohl aus Rücksicht auf die Winzer, die damals offenbar häufig vorkommende „dicke Kleinberger Rebe, welche an einigen Orten eben auch rheinisch genannt zu werden pflegen," von seinem Ausrottungsgebot aus.9 Die bei Verstößen gegen die Ausrottungsverordnung der schlechten Rebsorten anfallenden Strafgelder sind für die besichtigenden Gemeindevorstände „zur Ergötzlichkeit für ihre derhalbige Bemühung" vorgesehen, die gleiche Strafe auch bei künftigem Anpflanzen dieser Rebsorten.10 Als Termin zur Besichtigung der Weinberge durch die Gemeindevorstände wird die Zeit unmittelbar vor der Traubenlese festgesetzt. Dennoch fehlt noch immer eine genaue Bezeichnung der beiden schlechten Rebsorten und ebenso die Bezeichnung der sie nach dem Ausgraben ersetzenden guten Rebsorte. Warum damals mit allgemeinen Wertbezeichnungen gearbeitet wurde,sowohl von der Obrigkeit als auch von den Weinsachverständigen - diese Frage muß leider mangels vorhandener Information offen bleiben. Welche beiden „schlechten" Rebsorten ausgehauen, bzw. künftig nicht mehr bei Strafe von 18 Albus je Stock gepflanzt werden dürfen, sind dabei gemeint? Ein Schreiben des reichsgräflichen v. Kesselstatt'schen Verwalters Reihs von Kröv an die dortigen Wingertpächter vom 3. Januar 1789 aus dem Archiv Kesselstatt, (Depositum Kesselstatt, künftig DK zitiert, im Stadtarchiv Trier Nr. 1068) liefert uns eventuell einen Hinweis.11 „Bei Anpflanzung neuer Stöcke sollten die Lehnleute gehalten sein, puren grünen Riesling und grünen Kleinbergs sich zu gebrauchen, des Bilsenroth aber wie des Bergroth sich bei arbitrairer Straffe (= Strafe nach Ermessen) allerdings zu enthalten." Unter „Bilsenroth" ist nach dem Rheinischen Wörterbuch (Bd. 1, Spalte 1115) der „blaue Trollinger, eine große Traube mit dicken schwarzen Beeren, einen schlechten Wein liefernd," zu verstehen, die „in schlechten Jahren nur halb reifend war, aber viel Most brachte." Der auch „Hammelsrhoden" genannte Trollinger wurde nach Friedrich v. Bassermann-Jordan 1782 durch den Fürstbischof v. Speyer durch zwei Verordnungen vom 28. September 1782 und 27. September 1783 als „schlechte" Traubensorte verboten und aushauen gelassen.12 Wie die Rebsorte „Bilsenroth" muß auch der „Bergroth," die bisher nicht von mir identifizierte Rebsorte, wie ihr Name besagt, Rotwein gebracht haben. Nicht selten wurde dieser zur „Schönung" der Farbe des Weißweines damals verwendet.

Es bietet sich aber noch eine andere Erklärung an:

Als „schlechte" Rebsorte wurden von den vier Weinbau-Experten des Oberamtes Zell am 25. Oktober 1787 zwei von den drei „rheinisch" genannten Reben charakterisiert, welche „bei einer auf nasse Witterung einfallenden Kälte früh abzugehen pflegten." Sie waren, wie die Benennung der dritten „rheinischen" Sorte als „dicker Kleinberger" zeigt, dem Kleinberger (= Elbling) nah verwandt, „sehr fruchtbar," brachten viel Most, hielten sich aber nicht lange und waren sauer. Es fällt auf, daß in den älteren und jüngeren Lexiken und Handbüchern des Weinbaus die Gattungsbezeichnung „rheinisch" nicht vorkommt. So z.B. in Johann Heinrich Zedlers „Großen vollständigen Universallexikon" von 1747 (vgl. die Spalten 892 - 895 „Weinrebe, Weinstock"), ebenso wenig im Buch von Johann Metzger „Der rheinische Weinbau" von 1827 (S. 8-44), auch nicht bei Otto Beck „Der Weinbau an der Mosel und Saar" 1869 (S. 4-5), nicht bei Fr. W. Koch „Der Weinbau an Mosel und Saar" 1881 (S. 12-21), ebenso in dem Standardwerk von Friedrich von Bassermann- Jordan „Geschichte des Weinbaus" 1921. Hingegen erscheint bei Zedler, Metzger, Koch und von Bassermann-Jordan eine Rebsorte unter dem fast gleichlautenden Namen „heymisch, heinisch, heunisch, huntzsch." Sie wird bei Koch als Rebe mit drei Sorten (wie bei der Expertenaussage zum „Rheinisch") so beschrieben: „1. weißer Heinisch, der viele und große Trauben bringt, die aber einen geringen, leichten, weißen, nicht haltbaren Wein geben. Er hat Verwandtschaft mit dem Weiß-Alben (Elbling). 2. gelber Heinisch, bringt viele aber sehr schlechte Trauben und verdient allerwegen vertilgt zu werden. Er ist leicht am schlechten Geschdmack zu erkennen. 3. roter Heinisch, bringt viele aber mittelmäßige

Trauben, reift mit den Alben" (= Elbling, Kleinberg). Ganz ähnlich urteilt auch Fr. W. Koch 1881 über den „Heunisch," der auf den Muschelkalkböden der Obermosel, aber auch auf den Tonschieferböden der Mittel- und Untermosel wächst. „Seine Vertilgung ist aber dort selbstgestellte Aufgabe der Winzer," von ihnen irrtümlich saurer Kleinberg genannt und es wird deshalb nicht lange mehr dauern, bis der letzte Stock Heunisch in den auf Tonschiefer stockenden Weinbergen verschwunden sein wird." (S. 13).

Angesichts dieser Negativbeschreibungen, die sich weitgehen mit denen der „rheinischen Trauben" decken, liegt die Vermutung sehr nahe, daß 1787 unter den „rheinischen" Rebsorten, die ausgehauen werden sollten, die „heinischen" gemeint sind. Der Kanzlist, welcher 1787 die kurtrierischen Hofratsprotokolle ins Reine schrieb, könnte, wenig vertraut mit dem Weinbau, statt „heinisch" das lautverwandte „rheinisch" geschrieben haben. Diese Bezeichnung „rheinisch" findet sich auch bei der ersten Publikation der kurfürstlichen Verordnung vom 30. Oktober 1787 zur Zeit der preußischen Herrschft in der „Trierischen Kronik" 1823 als „Beiträge zur älteren Gesetzgebung im Trierischen, welche dermalen noch geltend sind" (S. 89/90). Interessant ist darin der Hinweis, daß nach Artikel (2 des französischen Ruralgesetzes (= Landwirtschaftsgesetz) vom 6.10.1791 diese kurfürstliche Verordnung vermutlich „aufgehoben worden zu sein scheint, indem diese Artikel jedem Eigenthümer die Freiheit einräumen, jedes beliebige Gewächs (sei es von guter oder schlechter Art) auf sein Eigenthum zu pflanzen."

Ob es sich bei „rheinisch" in den Verordnungen von 1787 um einen Hörfehler des Protokollanten oder um eine vertrautere Umdeutung der Bezeichnung „heinisch" durch den Protokollanten oder den Reinschreiber handelte, dürfte heute nicht mehr zu klären sein. Von der Beschreibung der Rebsorten „heinisch" herscheint mir meine Vermutung, daß „rheinische" Reben mit „heinischen" zu identifizieren sind, sehr wahrscheinlich, jedenfalls wahrscheinlicher als die landschaftliche Bezeichnung „rheinisch" für verschiedene, viele Menge bringenden Rebsorten (Trollinger etc.) zu sein, wie ich zunächst angenommen habe. Für meine Hypothese sprechen auch die Aussagen der vier Weinbau-Experten des Oberamtes Zell 1787, welche die „rheinische" Reben auf drei Sorten begrenzen, von denen eine zu behalten sei. Nach Johann Metzger gab es 1827 auch drei Sorten „heinische" Reben.

 

Welche Rebsorten wurden unter „gute" gemeint?

Reichsgraf Johann Hugo Kasimir v. Kesselstatt,13 der von 1761 bis zur französischen Okkupation des Trierer Kurstaates 1794 als Landeshofmeister oberster Amtsträger des kurtrierischen Hofstaates war, und die Verantwortung für den ganzen Besitz des Kurfürsten Clemens Wenzeslaus trug, der sich um die Verbesserung des Klee-Anbaues (DK Nr. 5342) bemühte, und auch den kurfürstlichen Weinbergsbesitz zu verwalten hatte, wird zweifellos zu allererst die nach v. Kesselstattscher Familientradition von ihm inspizierte Bevorzugung des Rieslings bei seinem Eigenbesitz berücksichtigt haben. Darum wurde der Rieslinganbau wohl von dem v. Kesselstattschen Verwalter Reihsin Kröv den Wingertspächtern zum Anbau, neben dem Kleinberger, empfohlen.

Als besonders frühreifend hatte der Elsässer J.M. Ortlieb seine Rebzüchtung „Klein Räuschlinger" 1774 dem König von Preußen Friedrich II. gerühmt und zur Anpflanzung angepriesen,14 vermutlich auch dem Kurfürst Clemens Wenzeslaus. Denn Geheimrat v. Lassaulx rät zum Probeanbau von 500 Setzlingen. Von einem Anbau dieser Rebsorte ist uns nichts überliefert. Im Mittelalter nahm der Kleinberger, auch Elbling genannt, etwa Dreiviertel der rheinischen Rebfläche ein, wie v. Bassermann-Jordan betont Noch im 18. Jahrhundert überwog der Kleinberger im Moselland, ebenso noch im ersten Drittel des 19.

Jahrhunderts, wie uns Karl Graff 1821, Johann Metzger 1827 und Johann Ph. Bronner 1834 berichten.16 Allerdings ist uns der Anbau von Rieslingreben in Trier nach Michael Matheus bereits 1465 überliefert, in Trarbach 1669, im 18. Jahrhundert in Piesport, Brauneberg und Zeltingen um nur einige Orte zu nennen, die wegen ihres guten Weines schon damals bekannt waren.17

 

Ist unter den guten Rebsorten also vor allem der Riesling zu verstehen?

Diese Frage wird durch einen Beitrag im Kurfürstlich-Trierischen Landeskalender, dem 1785 gegründeten und von Kurfürst Clemens Wenzeslaus privilegierten offiziellen Organ für die kurtrierischen Landwirte 1788 beantwortet.18 In diesem Kurfürstlich-Trierischen Landkalender von 1788, der bereits am 17.9.1787, also nur wenige Wochen vor der kurfürstlichen Verordnung über das Ausrotten der schlechten Reben vom 30. Oktober 1787 in Koblenz erschien, wird unter der Überschrift „Nachrichten für den Acker- und Weinbau" ein „Gespräch zwischen Peter und Thomas" aus Kobern/Mosel gebracht, in welchem „diejenigen Grundsätze und Behandlungsweisen" mitgeteilt werden, „nach welchen eine Begüterter seine sich vorzüglichauszeichnenden Weinberge in den ergiebigsten Stand gesetzt hat." Der wißbegierige Peter fragte seinen Vetter Thomas, wie es komme, daß die Weinberge von dessen adeligen Herrn sich vor allen anderen auszeichneten und er immer einige Taler pro Ohm (160 Liter) mehr bekomme als die übrigen. Thomas erklärte ihm daraufhin dessen erfolgreiche Methoden - Bau von Terrassen im Weinberg, die durch solide Mauern abgestützt wären. Verbesserung des Bodens und richtige Distanzierung der Rebsetzlinge auf 3 Vz Schuh (ca. 1m), so daß diese bereits im dritten Jahre voll Trauben wären. Dann käme das Auszeichnen schlecht tragender Weinstöcke. „Fand er (der „Junker") Sauerriesling oder einen zaßlichen (kümmerlichen) Kleinbeer-Stock, der mußte unfehlbar weggeschafft werden. Wäre aber ein ganzer oder ein halber Chor (= Terrasse) neu zu roden, so dürften wir keine anderen Sprößlinge nehmen als von dem großen grünen Riesling oder von jenem (Riesling), den sie Rotstilger (= rotstieligen) nennen. Nur wenn der Boden unvest war, nahmen wir auch etwas guten Kleinbeer. Allein wir durften ihn nicht mit dem Riesling vermischen, damit dieser... nicht zu Grunde ginge.Manchmal ließ er auch an Orten, wo er es schicklich hielt, wo nemlich wegen großer Sonnenhitze die Rieslinge oder Kleinbeer vertrockneten, Orleaner oder Gutedel oder Tokayer hinpflanzen. Aber die großen grünen Rießlinge und Rotstilger waren immer seine liebsten. Reben, die er wiederum im Gegentheile zu anderen Weinbauern allgemein einführte. Ja sagt er, die Leute wollen viel Wein haben und pflanzen daher größtenteils Kleinbeer an. Aber was gewinnen sie dabei? Fällt ein etwas mißliches Jahr ein, so bekommen sie wenig oder gar nichts, da der Rießling doch immer seinen Teil bringt."

Ausdiesen Ratschlägen zur Erzielung eines höheren Weinpreises werden die landesherrlich empfohlenen Methoden deutlich: Terrassenbau, Erweiterung des Abstandes zwischen den Rebstöcken (von ca. 80cm auf 1m) und Bevorzugung der Rieslingreben. Deutlich wird aber auch die bisherige Begünstigung der Kleinberger-Reben wegen der davon erzielten größeren Most- bzw. Weinmenge. Die Ratschläge für die Winzer in Dialogform wurden im Landkalender von 1789 fortgesetzt - richtiges Beschneiden der Weinstöcke, häufigeres Düngen des Bodens schon im vierten oder fünften Jahre nach der Neupflanzung und nicht erst im siebten Jahre. Damit würde die vor allem für die Kleinwinzer nur schwer zu verkraftende Durststrecke bis zur ersten Traubenernte von sieben auf vier Jahre verkürzt. Leider wurde diese Hinwendung vom Quantitäts- zum Qualitätsweinbau unter Kurfürst Clemens Wenzeslaus durch die Kriegsereignisse im Gefolge der Französischen Revolution nach 1798 (Eindringen der Revolutionsarmeen bereits 1792 in den Kurstaat Trier) behindert bzw. verhindert, so daß

noch 1833 Joh. Ph. Bronner in seinem Buch „Der Weinbau ind Süd-Deutschland" schreibt:

„Der Kleinberger dominiert längs der ganzen Mosel und ist mehr oder weniger mit Rießling gemengt. Ausnahmsweise trifft man zu Piesport, Brauneberg, Ohligsberg (bei Wintrich), Zeltingen, Trarbach und anderswo reine Rießlingreben an und man kann an diesen Orten den Rießling dominierend nennen.19 Erst unter dem Eindruck der schweren Absatzkrise für den Moselwein in den Jahren zwischen 1830 und 1860 kam es seit etwa 1845 zur Abkehr vom alten Moselweinbau mit dem vorherrschenden Kleinberg, daneben Rießling und sehr verschiedenen Traubensorten, im „Moselneubau"20 zur Riesling-Vorherrschaft zum bald hochberühmten Qualitätswein. Dennoch wurde 1787 durch den letzten Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus, wie ich nachgewiesen zu haben hoffe, dem Qualitätsweinbau der entscheidende Anstoß gegeben. Daß dabei die Rieslingrebe eine dominierende Rolle spielte, scheint mir erwiesen.

Anmerkungen:

1) Im Landeshauptarchiv Koblenz (künftig zitiert LhaKO) Best. 1 C Nr. 10417, 10418, 10420. Vergleiche weiter dazu die gedruckte Verordnung vom 23. Oktober 1787 bei J.J. Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Trier über Gegenstande der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind, vom Jahre 1310 bis ... 1803. Teil 3, 1832 S. 1461 - 1462, Nr. 842. Künftig zitiert Scotti, Teil 3 mit Seite und Nr.

2) Scotti Teil 3, S. 1456 - 1458, Nr. 833

3) Vergleiche Richard Laufner, Wein und Weinhandel in Trier und im Kreis Trier-Saarburg. In: Der Wein von Mosel-Saar-Ruwer in Trier und im Kreis Trier-Saarburg. Trier 1984, S. 63-104, dort S. 83

4) Ebda. S. 82. Allerdings schreibt der damalige Abt von St. Maximin im Abrechnungs buch des Klosters zu 1785: „Dies Jahr hat schlechten Wein gebracht." Zu 1786 und 1787 ähnlich: „Der Wein ist schlecht ausgefallen, allein vor Knecht, Magd und Taglöhner zu gebrauchen." Vergleiche ebda S. 86-87.

5) Ebda. S.96

6) LhaKO Best. 1 C Nr. 10417

7) Ebda. Best. 1 C Nr. 10418

8) Ebda. Best. 1 C Nr. 10420

9) Vergleiche Scotti Teil 3, S. 1461, Nr. 842

10) Vergleiche LhaKO Best. 1 C Nr. 10420 S. 435

11) Vergleiche meinen Beitrag im Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 1972 „Neue Ära im Weinbau," S. 119

12) Friedrich v. Bassermann-Jordan, Geschichte des Weinbaus, 2. wesentl. erweiterte Auflage Frankfurt/M. 1923 (künftig zitiert: v. Bassermann-Jordan), 1. Bd. S. 838-839

13) Johann Hugo Casimir Edmund Reichsgraf v. Kesselstatt, geb. 1727, gest. 1796. 1750 Oberamtmann von Pfalzel und Erbobervogt des Kröver Reichs 1751 geworden, 1764 k.k. Geheimrat, Landhofmeister des kurtrierischen Hofstaates 1761 - 1794 (nach der handschriftlichen „Geschichte des reichsgräflichen Hauses von Kesselstatt " von Franz Xaver Streitberger 1806 im DK im Stadtarchiv Trier. Vergleiche auch dazu in meinem Aufsatz im Kreisjahrbuch Trier-Saarburg 1969, S. 144, über ihn).

14) Zu J.M. Ortlieb vergleiche v. Bassermann-Jordan, 1. Bd., S. 400 - 402

15) Ebda. S. 385 - 386

16) Karl Graff, Der Moselwein als Getränk und Heilmittel, Bonn 1821, S. 9 -10 Johann Metzger, Der rheinische Weinbau, Heidelberg 1827, S. 41 Johann Bronner, Der Weinbau in Süddeutschland, 2. Heft, Der Weinbau in der Provinz Rheinhessen, im Nahethai und Moselthal. Heidelberg 1834, S. 161 - 170

17) Vergleiche M. Matheus in LandeskdI. Vierteljahresblatter Jg. 26, 1980, S. 161 - 173 Johann Bronner, aaO. S. 170

18) Der Kurfürstlich-Trierische Landkalender wurde am 4. März 1785 durch Kurfürst Clemens Wenzeslaus Angeordnet und privilegiert. Er erschien erstmalig 1786. Das Gespräch zwischen Peter und Thomas aus Kobern über Weinbau-Verbesserung erschien im Landkalender 1788. S. 135 - 136, und im Landkalender 1789 die Fortsetzung.

19) Bronner aaO. S. 161

20) S. Muhl, Der Weinbau an der Mosel und Saar, soweit diese der Krone Preußens angehörten, Trier 1845, S. 37.

 

Quellenhinweis:

Trier-Texte Nr. 6, Herausgeber Verkehrsamt der Stadt Trier. Redaktion: Dr. Heinz Mülhause.

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