Der Ankersaal

- die Bürger- (Gemeinde-)säle von Briedel -

 

Schon in den frühen Zeiten fanden in den Orten regelmäßige Treffen der Bevölkerung statt, an denen die Herrschaften Ihre Macht demonstrierten und an denen Anweisungen erteilt, Recht gesprochen und Streitigkeiten verhandelt wurden (Geding, Verlesen der Weisthümer, Bebauungsregeln für die gepachteten Weinberge, Prozesse, ...).
Wo dieses genau bei uns in Briedel stattfand, ist nicht überliefert.

Die Geding-Treffen (3 x jährlich in Briedel) fanden i.d.R. im Fronhof des jeweiligen Grundbesitzers statt, wo sich die Lehnsleute - Pächter - einzufinden hatten. Hier hatten die Einwohner ihren Treueeid gegenüber dem jeweiligen Herrn abzulegen und alle Dinge zwischen ihnen und dem jeweiligen Grundherren wurden hier abgewickelt.

Der Vogt war ja für alle Briedeler - mit Ausnahme der Bewohner des Himmeroderhofes - zuständig. Das Himmeroder Kloster und die Kurfürstlichen Kammer waren die größten Grundbesitzer. Daher fanden die Treffen der Untergebenen wahrscheinlich gemeinsam im Himmeroderhof statt. Die übrigen Grundherren hatten nicht genug Besitz, um ein solches Geding zu verlangen. Im 19. und 20. Jhdt. wurden dann die öffentlichen Bekanntmachungen auf der „Gemeinde" verlesen. Hier trafen sich die Männer, mindestens einer aus jeder Familie, Sonntags nach dem Hochamt „auf der Brück", um sich zu informieren und die amtlichen Anordnungen entgegen zu nehmen. Für eilige Fälle war ein Ausscheller angestellt, für den 1880 eine neue Schelle angeschafft wurde. Erst seit 1971 werden die Infos durch das Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde öffentlich gemacht und das Verlesen auf der „Gemeinde" ist eingestellt worden.

Gerichtsverhandlungen über allgemeine Zivilsachen fanden, so lesen wir in alten Akten, oftmals im Schatten der Bäume neben der Kirche statt. Noch bis ins 19. Jhdt. sind Bürgerversammlungen in der alten Schule (alte Parf) neben der Kirche bezeugt. Mit Verbreiterung der Kirchentreppe 1889 wurde ein Flügel der alten Schule abgebrochen. Danach wurde zeitweise ein Saal in der neuen Schule (unten rechts) als Bürgersaal für die verschiedensten Veranstaltungen genutzt. Die Bausubstanz der alten Parf litt im Laufe der Jahre sehr. Um 1950 zerschlugen sich Planungen, nach Renovierung hier ein neues Pfarrhaus einzurichten. So wurde sie dann wegen Baufälligkeit abgerissen. Auf einem Teil des Grundstücks errichtete die Gemeinde danach eine Leichenhalle, die nunmehr nach Profanisierung als Gemeindearchiv eingerichtet wird.

1615 baute die Gemeinde Briedel dann ein Rathaus, wo der Bürgermeister mit den Räten- zu regelmäßigen Sitzungen in funktionsgerechtem Umfeld zusammen kam.

Das Haus in der Zehntstraße hatte zunächst im Erdgeschoss eine offene Halle in der die Einwohner zuammentrafen, um die Anweisungen des Schultheißen entgegen zu nehmen.
Im Obergeschoss befand sich der Sitzungssaal, in dem der Gemeinderat, die Scabinus, Schöffen, tagte und die Verhandlungen des Briedeler Schöffengerichts stattfanden. Von den verhängten Strafen, meistens Geld- oder Weinstrafen, erhielt der Vogt 1/3, der Bischof bzw.Kurfürst 1/3 und die Gemeinde 1/3. Der Weinstrafenanteil der Gemeinde wurde sodann von den Schöffen meistens an Ort und Stelle vertrunken.

Die Gemeinde wurde größer und der Bedarf an einem größeren Versammlungsraum wuchs. In der 2. Hälfte des 18. Jhdt. errichtete die Gemeinde ein neues Rathaus auf einem Teil des heutigen Parkplatzes am Brunnenplatz. Im Zuge des Ausbaues der „Prämienstraße"= Provinzialstraße von Zell nach Traben-Trarbach in den Jahren 1864-1868 mussten im Ort einige Häuser weichen oder teilweise zurückgebaut (Teilabriss) werden, da die erforderliche Breite sonst nicht möglich war. Während die Front des Nachbarhauses (Frühmesserei) zurückgebaut wurde, war das mit dem Gemeindehaus nicht möglich. Es musste vollständig abgerissen werden. Das Nachbarhaus nach hinten (auf dem Brunnenplatz) konnte 1867 von der Gemeinde für 3.000 Thaler erworben werden. Ein großer Raum im Erdgeschoss wurde als Bürgersaal genutzt und dazu mit Stühlen und Bänken an den Wänden ausgestattet. Weiter wurde ein Podest eingebaut, damit bei Versammlungen Platz für den Bürgermeister etc. vorhanden war und man bei Versteigerungen einen besseren Überblick hatte. Auch fanden hier im sogenannten Gemeindezimmer die Ratssitzungen statt.

Das gekaufte große Gebäude war von 1873 bis 1899 die Poststation und in seinem Untergeschoss waren die Stallungen für die Auswechsel-Pferde der Postkutschen untergebracht. Daran erinnerte immer noch der Name „Alte Post".

Auf der Restfläche des abgerissenen Gemeindehauses (heute der Parkplatz) wurde die öffentliche Gemeindewaage installiert. Weiterhin errichtete und betrieb der Heimat- und Verkehrsverein hier einen Souvenir- und Getränkekiosk. Der öffentliche Wasser-Zieh-Brunnen - eine komplette Wasserleitung gab es erst ab 1881 - musste gleichfalls dem Straßenausbau weichen und es verblieb nur der Basalt-Gedenkbrunnen.

In dem großen Haus waren später mehrere Wohnungen. Im Keller hatten die Bewohner der unteren Fischer - und Fährgasse ihre Kartoffeln etc. gelagert, damit diese sich außerhalb des Hochwasserbereichs befanden. Das Haus wurde bei der Eroberung des Moseltales durch die Amerikaner 1945 schwer beschädigt. Es musste daraufhin 1947 abgebrochen werden. Holz aus dem alten Gebäude wurde zur Herstellung einer neuen Pieta für die Sündkapelle verwandt.

Der Schultheiß war Vertreter des Vogts (Grafen von Salm bzw. Oberstein) und wohnte in einem repräsentativen Haus. Hier befand sich auch sozusagen das Bürgermeisterbüro. Später war das Bürgermeisterbüro im Privathaus des jeweiligen Bürgermeisters. So wurde z.B. am 29.9.1919 das Haus des Bürgermeisters auf Gemeindekosten an das Fernsprechnetz angeschlossen.

Seit 2006 war das Bürgermeisterbüro in den Räumen der Tourist-Information und am 12.1.2015 erfolgte der Umzug in das neu gestaltete Bürgerhaus „Ankersaal".

1934 wurde über den Bau eines Versammlungsraumes für die Hitlerjugend diskutiert, wozu das alte Feuerwehrgerätehaus aufgestockt werden sollte. Dies kam nicht zustande. Die HJ übte zwar fleißig, musste sich aber gemeinsam mit dem BdM den kleinen Saal in der alten Post teilen.

Um 1903/1905 erbaute Franz Rees (Anker-Franz) den heute bekannten Ankersaal. Dieser stand von Beginn an für alle öffentlichen Veranstaltungen zur Verfügung.

Nachdem 1908 Pläne zum Bau eines großen Bürgersaales durch Aufstockung des „Stierstalles" von der Regierung nicht genehmigt wurden, mietete sich die Gemeinde im Ankersaal fest ein und nutzte diesen fortan. Auch der Turnverein, der bisher in einem Klassenraum der Schule übte, zog 1927 in den neuen Saal.

Im ersten Weltkrieg waren im Ankersaal die russischen Kriegsgefangenen, die als Landwirtschaftshelfer hier in Briedel eingesetzt waren, untergebracht.

1919 wurde der Saal an die Stromversorgung des Sägewerkes Göres angeschlossen. Der dortige Stromgenerator, die Lokomobil, musste regelmäßig mit Holzresten beheizt werden. Franz Hillesheim war der Oberheizer und als Lohn für das nächtliche Stochen des Ofens brauchte er bei Tanzveranstaltungen keinen Tanzgroschen zu zahlen. Es soll vorgekommen sein, dass er über das Tanzen und Trinken das Nachlegen vergaß und es dann im Saale plötzlich dunkel wurde.

Im zweiten Weltkrieg war im Ankersaal zeitweise ein Warenlager, insbesondere Tabak, das vor Bombenangriffen aus Köln in Sicherheit gebracht worden war.

In den letzten Kriegstagen wurde das Gasthaus Anker schwer beschädigt und die Erben des verstorbenen Inhabers wollten den Saal verkaufen. Die Gemeinde stellte Ihre wieder aufgeflammten Planungen für einen neuen Saalbau ein und erwarb das Anwesen. Eine Besonderheit dabei war, das das Eigentum nur in der Etage des Saales bestand. Das Untergeschoss war im Eigentum einer anderen Familie. Da der Kaufvertrag 1952 nur unter der Bedingung genehmigt wurde, dass auch der Grund und Boden ins Eigentum der Gemeinde käme, wurde auch dieser angekauft. Finanziert wurde der Ankauf und der Umbau aus einem Sonderhieb im Gemeindewald.

Sofort wurden die unteren Stall- und Kellerräume entkernt und ein Sitzungszimmer für den Gemeinderat, eine Unterkunft für Nichtsesshafte und Toiletten eingebaut. Auch wurde die bisherige Außentreppe durch eine innenliegende ersetzt.

Der weiterhin Ankersaal genannte Raum wurde und wird von vielen Vereinen überwiegend als Sport- und Trainingsstätte genutzt. Theateraufführungen, Karnevalsveranstaltungen und Bürgerversammlungen fanden anfangs auch hier statt. Später zogen diese in die neuen und teilweise größeren Tanzsäle der Hotels um.

Nach dem Bau des Sportplatzgebäudes 1982 werden die Gemeinderatssitzungen nach dort verlegt und im nun freien Untergeschoss Räumlichkeiten für den Jugendclub geschaffen.

1984 beteiligte sich die Gemeinde am Bau des Pfarrheimes, um dort einen größeren Raum für die öffentlichen Veranstaltungen zur Verfügung zu haben.

Pläne zum Bau einer großen Gemeindehalle unter Einbeziehung der leerstehenden Schule werden, auch aus Denkmalschutzgründen, mehrmals verworfen. Nachdem auch der angedachte Ausbau des Schulgebäudes als Bürgerhaus und Touristinformation und öffentlicher Toilettenanlage sowie der erforderlichen Neben- und Lagerräume für das Weinfest keine erforderlichen Zustimmungen fanden, richtete sich der Fokus auf den Ankersaal. Die Substanz des 100 Jahre alten Gebäudes zeigte Verschleißerscheinungen und so plante man hier eine große Renovierung.

2013 konnte auch das Nachbarhaus Gippert erworben werden. Damit ergab sich die Möglichkeit eines fast hochwasserfreien Hintereingangs über gemeinschaftliches Eigentum mit mit den Nachbarn. Die Pläne wurden überarbeitet und nunmehr neben dem Saal und dem Jugendclub Räume für die Tourist-Information sowie ein repräsentatives Gemeinderats - Sitzungszimmer und Gemeindebüro eingerichtet. Auch die notwendige öffentliche Toilettenanlage wurde darin errichtet.

2014 wird dann noch die benachbarte Garage Goldschmidt gegen das alte Feuerwehrgerätehaus im Blender getauscht und abgerissen. Mit dieser Freifläche wird die Optik des Gesamtensembles offener gestaltet und es ergibt sich die Möglichkeit, durch einen Seiteneingang den Keller des Hauses Gippert zur Lagerung der Hochwasserwand-Bohlen zu nutzen.

Die Baumaßnahmen verzögern sich immer wieder und der Eröffnungstermin wird wiederholt verschoben. Eine der Ursachen dabei ist der erforderliche Einbau eines behindertengerechten Rollstuhlzugangs zum Sitzungszimmer im Obergeschoss.

Die Gesamtkosten der Renovierung betragen rund 1 Million Euro, die durch hohe staatliche Zuschüsse und Kreditaufnahmen (ein Sonderhieb im Gemeindewald bringt nichts ein) finanziert werden. Die Einrichtung des neuen Gemeinderatssitzungszimmers wird aus dem Verkaufserlös der Schule bezahlt.

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