Gegensätzliches und Verbindendes

- Aus dem Zusammenleben von Pfarrei und Gemeinde in Briedel -

Hermann Thur

Schon bei den alten Volksstämmen hatte die Religion oft einen wesentlichen Einfluss auf das menschliche Zusammenleben, z.B. waren die Druiden bei den Kelten meistens die geheimen Herrscher über die Sippen.

Bei den Römern verringerte sich der Einfluss der Religion durch die Vielzahl der Gottheiten. Die säkulare militärische Macht gab hier die Richtung vor.

Die Taufe des Merowingerkönigs Clodwig im Jahre 496 ist der Beginn der ca 1000-jährigen mehr oder weniger engen Verbindung der europäischen Staatsmächte und Grundherrschaften mit der katholischen, der römischen Kirche.

Durch diese Taufe erhielt die römische Kirche die Vorherrschaft und drängte die bis dato in Ost- und Mitteleuropa sich ausbreitende arianische Christenheit, die eine Verbindung von Religion und Staat ablehnte, zurück. In der Region des oströmischen Kaisertums und der Expansion in die slawischen Länder konnte sich die orthodoxe Geistesrichtung des Christentums festsetzen, die bis heute eine teils enge Verbindung zwischen Staat und Kirche pflegt.

Die sich entwickelnde enge Verzahnung der herrschenden fränkischen Adelsschicht mit dem sich formierenden Klerus in Pfarreien und Klöstern wurden dann von den Karolingern noch wesentlich verstärkt. So wurden die Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher Nation generell vom Papst ernannt und gesalbt. Im Gegenzug spielten die Kaiser dann die weltliche Schutzmacht gegenüber dem Papst und der Kirche.

Mit den Pfarreien und dem damit verbundenen Zehnt erschloss sich auch den adeligen Grundherren eine stabile Einnahmequelle. Für die nachgeborenen Söhne und die nicht für politisch motivierte Heiraten einsetzbaren Töchter wurde das Klosterwesen ausgebaut. Durch Schenkungen und Erbanteile errangen gerade diese eine große Macht als Grundherren. Die Mönche und Nonnen sollten ja gut leben und Zeit und Muße haben, um für das Seelenheil der Stifter zu beten.

Nach dem Zerfall des römischen Reiches gegen Ende des 5. Jhd. und dem Einzug der Franken in unsere Region wurden die alten römischen Landgüter etc. aufgegeben. Grundeigentum, so wie wir es heute verstehen, gabs noch nicht. Das Land, d.h.,. Felder, Wald, Wiesen etc. gehörte dem König. Dieser belehnte damit jeweils seine Mannen, die ihm im Gegenzug z. B. Waffenhilfe leisten bzw. ihm entsprechende Nahrungsmittel liefern mussten. Da auch die vom König direkt belehnten Personen i.d.R. dem Adel entstammten, wollten diese nicht selbst arbeiten und verlehnten Ihr Recht in kleineren Stücken weiter. Dabei waren die Verpflichtungen der Empfänger natürlich höher als die eigenen, denn von der Differenz wollte man ja gut leben. Das ging dann so stufenweise weiter bis zu den armen Bauern, die dann auf den Ackerflächen malochen mussten und wegen der hohen Pachtabgaben und Steuern mehr recht als schlecht dahinvegetierten. Das sich bildende Leibeigenenwesen entsprach praktisch der späteren Sklaverei.

Auch Gemeinden mit Kommunalgrenzen waren in dieser frühen Zeit unbekannt. Noch aus der römischen Zeit kommt der Begriff der Hundertschaft. Entsprechend ihrer Einwohnerzahl wurden oft die Wälder, Gemeinschaftswiesen und Ackerflächen festgelegt und den ansässigen Bürgern zur gemeinschaftlichen Nutzung überlassen. Die Gemeindegrenzen richteten sich und festigten sich danach oft nach den Territorialsansprüchen der verschiedenen Herrschaften.

Briedel und seine Einwohner kamen, wie eine Reihe weiterer Orte an der Mosel, schon in der Merowingerzeit in den Besitz des Bistums Metz. Ausschlaggebend hierzu waren sicherlich die verwandtschaftlichen Verhältnisse, denn Metz war lange Jahre die Residenzstadt der Merowingerkönige Austrasiens, dem Ostteil des fränkischen Reiches. Die Bischöfe von Metz waren Angehörige des Königshauses, Bischof Arnold z.B. ein Bruder des Königs Childebert. Auch später ist Erzbischof und Kurfürst Balduin von Trier ein Bruder des Kaisers Heinrich VII.

Klerus und Adel benötigten in ihren Wohnanlagen ein hygienisch sauberes Getränk, da ihnen dort frisches Quellwasser nicht immer zur Verfügung stand und andere offene Wasserläufe oft durch Abwasser verunreinigt waren. Und die erste Wahl dabei war der durch den Alkohol haltbar und einigermaßen hygienisch saubere Wein. Die Alternative dazu war das Bier, das aber infolge des geringeren Alkoholgehaltes und fehlender Kühlmöglichkeiten, nicht so lange haltbar war. Im Laufe des Mittelalters stieg der Weinbedarf in den aufkommenden Städten, den Klöstern und Burgen rasant an, denn die dort zu versorgenden Menschenmengen wuchsen stetig. Erst später kam der Genussfaktor des Weines noch dazu.

Insbesondere die Klöster versuchten daher, möglichst viele Weinberge zu beherrschen, um ihren Patres (die einfachen Arbeiter bekamen nicht immer etwas davon ab) die Tagesrationen von bis zu 5 Liter Wein bieten zu können. Wein entwickelte sich dadurch zu einem begehrten Wertaufbewahrungs- und Tauschmittel. Aus diesen Konstellationen heraus waren die Klöster im Mittelalter die weitaus größten Weinbergsbesitzer.
In Briedel z.B. waren 1721 über 50 % der Weinberge in klösterlicher bzw. kirchlicher (incl. kurfürstlicher) Hand, 25 % gehörten adeligen Herren und nur knapp 25 % waren im Eigentum der Winzer. Diese privaten Weinberge entstanden überwiegend durch schwere Rodung der Winzer auf ursprünglich gemeindlichem Grund, z.B. die oberen Flächen in den Felsen. Die „Herrschaften" wollten zwar viel und guten Wein trinken, aber die schwere Arbeit im Wingert scheuten sie. Daher waren die kirchlichen und ritterlichen Weinberge zumeist als Erbpacht gegen Abgabe einer Hälfte (2. Traube) vergeben. Drittel- und Viertelpacht sind in dieser frühen Zeit noch nicht nachgewiesen. Durch das Vorhalten der kapitalinsentiven Kelter- und Kellerausrüstung kauften sie auch oft die verbleibende Hälfte bei den Winzern auf und vertrieben den Wein. Die Klöster in Flandern und Brabant waren frühe gute Abnehmer von Briedeler Weinen.

Im Gegenzug musste Himmerod die aufgelaufenen Kosten aus Soldateneinquartierung etc. in 4 Jahresraten bezahlen und künftig auf seinem Hof für Soldaten, deren Weiber und Kinder Quartier bieten.

1719 ist berichtet: Das Kloster Himmerod muss das Kirchenschiff in Dach und Gefach erhalten, die Gemeinde den Turm und die Glocken (und später die Uhr)

Das Bistum Metz übertrug am 20.5.748 zur Erstausstattung einen Teil seiner Rechte in Briedel, darunter auch einen Anteil am Zehnten, an sein neugegründetes Kloster Gorze, weitere Anteile kamen an das Tochterkloster Neumünster (Saarland). Um 983 ist dann das gleichfalls zu Metz gehörende Kloster St Trond Inhaber des Zehnten und größter Weinbergsbesitzer in Briedel.

1154 wurde eine neue Zehntordnung eingeführt. Offensichtlich hatten die Winzer bei der Ablieferung des Ernteanteils an die Kirche geschummelt, sei es in der Menge oder das dem Traubenmost schon Wasser beigemischt wurde. Daher wurde ab sofort der Zehnt direkt in den Weinbergen in natura erhoben, wobei der Pastor persönlich die Ablieferungen überwachte.

Die Beaufsichtigung der Briedeler Untergebenen und der Transport des Weines nach St Trond war aufgrund der Entfernung so schwierig, das das Kloster seinen gesamten Besitz in Briedel 1376 an das nur einen Tagesritt entfernte Zisterzienserkloster Himmerod in der Eifel verkaufte. Schon wenige Jahre später wurde der Ort Briedel dem Kloster Himmerod inkorporiert, d.h. Briedel wurde Bestandteil der Pfarrei Himmerod. Vorteil dieser Regelung für Briedel war die Bestimmung, das nun das Kloster für die Pfarrstelle voll verantwortlich war und ständig ein Pater als Pfarrer vor Ort war. Ein weiterer Mönch war als Verwalter der Güter ständig hier. Mit diesem „Besitzwechsel" wurde die bisherige Exklave des Bistums Metz dem Bistum Trier eingegliedert

Als Gegenleistung verpflichtete der Trierer Erzbischof, Kurfürst Balduin, das Kloster Himmerod, in der Briedeler Kirche jährlich eine Messe (Anniversarium) für seiner Seelenheil und das seines Bruders, des Kaisers Heinrich VII. nebst dessen Gattin lesen.

Der Kurfürst von Trier, identisch mit dem Bischof, hatte sich auch zwischenzeitlich die Vogteirechte unter seinen Nagel gerissen, die zunächst von den Grafen von Salm bzw. den Grafen von Oberstein ausgeübt wurden. Damit konnte Briedel "unter dem Krummstab gut leben", denn Orte mit weltlichen Herrschaften hatten oft unter den Streitigkeiten und Erbauseinandersetzungen ihrer Herren zu leiden.

Das Vogteirecht war damals die Haupteinnahmequelle des weltlichen Herren. Dieses bestand überwiegend in den Strafen und Bußen, die vom örtlichen Schöffengericht verhängt wurden und bei uns überwiegend in Weinablieferungen bestanden. Gemäß dem Briedeler Weistum erhielt der Lehnsherr (Kurfürst) 2/3 und der Vogt 1/3 der Bußen. Später kamen dann noch einzelne Steuern, z.B. der Simpel, eine an den Ertragsmöglichkeiten bemessene Grundsteuer und die verschiedensten Gebühren dazu. Sondersteuern und Umlagen, z.B. Türkensteuer oder Kontributionszahlungen im Zuge der verschiedenen Kriege vervollständigten die Möglichkeiten der Aussaugung der Bevölkerung.

1639 Vergleich der Gemeinde Briedel mit dem Kloster Himmerod. Danach erhält der Kirch- und Hofherr das Recht im Briedeler Wald Brennholz zu hauen, sowie Pfähle und Bauholz für die Kelter. Außerdem Zuteilung von Acker- und Rottflächen und das Recht des Weideganges.

In Briedel gab es, im Gegensatz zu verschiedenen Nachbarorten, auch nie Leibeigene im engeren Sinne. Die Bürger waren zwar durch Verträge an die jeweiligen Grundherren gebunden, aber man konnte neben Eigenland auch Flächen verschiedener Grundbesitzer bewirtschaften. Da der Zehntherr (die Pfarrei) und ein großer Grundbesitzer (das Kloster Himmerod) identisch waren, war auch der oftmals große Zwist daraus bei uns nicht spürbar.
Auch die Grenzen zwischen Pfarrgemeinde und Zivilgemeinde waren oft verschwommen. Diese Abgrenzung war, da ja die Gemeindebürger fast deckungsgleich mit den Pfarrangehörigen waren, auch nicht von großem Belang.

Aber nicht nur Himmerod hatte hier Besitz. Viele weitere Klöster erwarben im Laufe der Jahrhunderte, meistens durch Stiftungen oder Erbe, Weinberge in Briedel und die adeligen Grundherren bemühten sich, ihren Weinbergsbesitz zu erhalten. Das Kurfürstentum Trier wuchs im Laufe der Zeit zum größten Weinbergsbesitzer heran. Ein großes Kelterhaus auf der linken Moselseite sowie ein weiteres im Ort zeugen von den vielen Trauben, die als Pacht etc. an die bischöflichen Verwalter abgeliefert werden mussten.

Die Briedeler Weine müssen auch schon damals einen guten Ruf gehabt haben, denn nach dem Schatzerhebungsregister von 1719 hatten in Briedel 26 Klöster bzw. Kirchen Eigentum sowie 14 adelige Herrschaften.

Die herrschaftlichen Häuser (Kelterhäuser) waren i.d.R. von Steuern und Abgaben an die Gemeinde befreit, sodass die Bürger zu ihen Verdruss einen entsprechend höheren Anteil aufbringen mussten.

Während die Häuser und Weinberge klar zugeordnete Besitzer und Pächter hatten, waren die Ackerflächen und der Wald überwiegend Gemeinschaftseigentum der Gemeinde und wurden zusammen genutzt. Hier erfolgte dann die Verpachtung an die Bürger in einem i.d.R. 12-jährlichen Rhythmus. (Rottwirtschaft, Schiffelwirtschaft).

Wegen der gestiegenen Anzahl der Schäfchen waren mehrere Messen Sonntags und in der Woche erforderlich. Da das der amtierende Pater/Pfarrer nicht durfte, stellte die Zivilgemeinde zusätzlich einen Frühmesser, d.h. einen Geistlichen ohne Pfarrerstatus auf Gemeindekosten an. Die Finanzierung erfolgte über die Bereitstellung von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und Überlassung aus einer "Frühmesserstiftung" von Weinbergen und Ackerland zur Bewirtschaftung.
siehe: Frühmesserstiftung

Der Zehntherr war nach altem Recht auch für den Unterhalt der Kirche verantwortlich. So wurde die derzeitige Kirche um 1784 auch überwiegend vom Kloster Himmerod gebaut. Der Weihbischof von Trier, der einen Teil der Zehntrechte in seinem Fundus hatte, musste ein Drittel des Kirchenschiffs bezahlen. Die Pfarrangehörigen, die auch identisch mit den Gemeindemitgliedern waren, trugen durch harte Fronarbeit und mehr oder weniger freiwillige Spenden zum Bau und der Ausstattung bei. Der Glockenturm wurde, auch unter Fronarbeit, von der Zivilgemeinde errichtet. Dies wird damit begründet, das durch die Glocken ja zivile Aufgaben, z.B. bei Feuer oder der Einberufung zum Geding von dort ausgingen.

Die Reformation hatte in Briedel im Herrschaftsgebiet des Trierer Bischofs ja keine Chance. Die Wirren des 30-jährigen Krieges brachten für Briedel auch viel Leid aufgrund der durchziehenden Söldnertruppen und der vielen umherziehenden Banden infolge des aufgetretenen Machtvakuums. Die Chronik berichtet von mehrfachen Plünderungen der Kirche. Anschließend ging es z.B. im pfälzischen Erbfolgekrieg mit den Qualen der Bevölkerung noch viele Jahre weiter.

Die Gegensätze zwischen den katholisch gebliebenen Herrschaftsbereichen und den reformierten nahmen auch nach dem großen Religionskrieg noch weiter zu. So achtete der Pfarrer sehr genau darauf, dass zwischen dem kath. Briedel und dem evangelischen Enkirch keine allzu engen Kontakte innerhalb der Bevölkerung entstanden. Ganz verhindern konnte er es wegen der langen gemeinsamen Gemarkungsgrenze und der überlappenden Jagdrechte etc. jedoch nicht. Manche Anekdote dazu ist noch überliefert. So soll 1575 der Enkircher Pastor, unterstützt vom Briedeler Wahrsager, auf der Briedeler Heck Segnung gegen Impotenz angeboten haben. Männer mussten durch ein Loch in zwei überkreuzten Brettern ihr Wasser lassen und er segnete sie auf der anderen Seite. Nach Bekanntwerden wurde er bestraft und entlassen sowie der Wahrsager "gefänglich eingezogen".

Nach Besetzung der Moselregion (ab 1684) durch französische Truppen von König Ludwig XIV. wurde die Stadtmauer zerstört. Horrende Distributionen und Frondienste für Bau der Festung Mont Royal belasteten die Bevölkerung. Auch Teile der Kirchenschätze wurden requiriert.

Neben dem zivilen Schöffengericht - Briedel hatte lange Zeit ein eigenes Hochgericht - unter Vorsitz des Vogtes hatte auch die Kirche ein Sendschöffengericht eingerichtet, vor dem alle kirchlichen und religiösen Unstimmigkeiten verhandelt wurden. Während das Zivilgericht meistens Weinstrafen verhängte, die zu 2/3 dem Vogte zugute kamen, das andere Drittel als Gemeindeanteil wurde von den Schöffen oft direkt verbraucht, verhängte das Sendschöffengericht oft Wachsstrafen, mit denen der Kirchenbetrieb finanziert wurde. Damit partizipierte auch die Kirche an den hohen Bußgeldern.

Viele Einträge im Sendschöffenbuch sind uns erhalten geblieben. Daraus ist zu ersehen, dass es dabei oftmals um ideologische oder gar persönliche Feldzüge gegen Bürger kam. So gingen die Kirchenrichter (auch manchmal als Vaterunserlabbes betitelt) oftmals gegen weltliche Vergnügen wie Tanzen, Trinken oder Arbeiten am Sonntag vor. Auch die Stühle (Plätze) in der Kirche wurden verkauft (verpachtet), was aus einem Bericht von 1721 hervorgeht. Dort wird beklagt, das die Stühle von den Reichen untereinander verkauft würden. Einige haben sechs, sodass die armen Leute stehen müssen und die reichen Kinder sitzen. Es kam deshalb desöftern in der Kirche zum Schlagen. Auch das Thema "illegitimer, verdammungswürdiger, unerlaubter Beischlaf" wurde desöfteren verhandelt. Der Küster wurde einmal in solchem Zusammenhang bis zur Klärung der Vorwürfe vom Dienst suspendiert. In einem anderen Fall wurde dem Lehrer, dem vorgeworfen wurde, die Kinder zu schlagen, die Küsterei untersagt, bis sein Ruf wieder hinlänglich hergestellt sei.

Mehrfach kam es auch zu Streitigkeiten, z.B. forderte der Schultheiß einigemale seine Bürger auf, die Abgabe des Zehnten an den Pfarrer, insbesondere des Kartoffelzehnten, zu verweigern. Der Schultheiß, ein Wirt der einmal vom kirchlichen Sendschöffengericht auf Betreiben des Pfarrers wegen unerlaubtem Ausschank während der Vesper bestraft wurde, wehrte sich dagegen mit der Begründung, dass er vom Kurfürsten die Erlaubnis des Sonntags-Ausschanks erhalten habe und der Pastor ihm das daher nicht verbieten dürfe.

Der Kurfürst von Trier war als Inhaber der Vogteirechte über Jahrhunderte die weltliche und gerichtliche Macht in Personalunion. Aufgrund seines gleichzeitig ausgeübten Amtes als Bischof und damit als Vorgesetzter von Pfarrer und Kloster war er auch Inhaber der kirchlichen Macht. Diese Identität gab ihm faktisch eine unumschränkte Entscheidungsbefugnis und sie verhinderte auch viele ansonsten zutage getretenen Gegensätzlichkeiten zwischen weltlichen und religiösen Ansichten, die andernorts auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wurden. "Unter dem Krummstab ist gut leben" ist ein passendes Sprichwort.

Durch die Säkularisation im Zuge der französischen Annexion 1794 - 1815 wurden die klerikalen Besitztümer enteignet und eingezogen. Dann wurden sie zu Gunsten der Staatskasse versteigert. Lediglich eine Kirche und ein Pfarrhaus konnte die Pfarrei behalten.
Da das alte Pfarrhaus "Alte Parf" auch die Schule beherbergte, wurde der Sitz des Pfarrers in den Himmeroderhof verlegt und dieser somit zum Pfarrhaus gemacht. Bis dahin hatte hier der zweite Pater, der Himmeroder Gutsverwalter, seinen Sitz. Die Zivilgemeinde sicherte sich das Gelände bis zur Graf-Salm-Strasse als Bauplatz für eine neue Schule. Als Entgegenkommen erhielt der Pfarrer dann den außerhalb der alten Stadtmauer gelegenen „Pfarrgarten", heute das Gelände des Kindergartens.

Das Vermögen der Frühmesserstiftung, das Frühmesserhaus und die Weinberge, wurde hingegen versteigert, obwohl die Gemeinde daran Rechte geltend machte. Einsprüche und ein Prozess konnten dieses Vermögen nicht für die Kommune retten, obwohl die Frühmesserstiftung von der Zivilgemeinde eingerichtet und dotiert worden war sowie die weiteren Zustiftungen nicht direkt kirchlich/pfarrlich gebunden waren.

Da viele Winzer kein Geld zum Ansteigern hatten, kam der alte Adel unter neuem Namen wieder meist zum Zuge. Eine kurze Geschichte schildert, das mehrere Briedeler Bürger als Beauftragte der Gemeinde und vieler Bürger nach Cochem auf Amtsgericht zogen, um dort die angebotenen Briedeler Grundstücke zu ersteigern. Da der Weg ja vormittags bis zum Versteigerungstermin nicht zu schaffen war, reiste man am Vortag an und nahm Quartier bei einem in der Nähe von Cochem wohnenden ehemaligen Briedeler. Abends setzte man sich zusammen, erzählte sich die Neuigkeiten und verglich die mitgebrachten Briedeler Weine mit den Gewächsen aus dem Cochemer Krampen. Es wurde spät und als man am nächsten Morgen aus den Betten kroch, war es schon zu spät. Die Versteigerung war schon vorbei. Unter anderem hatten mehrere finanzstarke Familien, heute würde man diese als Finanzinvestoren oder Heuschrecken bezeichnen, die Briedeler Güter nebst den Gebäuden für wenig Geld erworben. Einige verkauften ihre Weinberge dann mit gutem Gewinn an die Briedeler. Ein Traben-Trarbacher Weingut hingegen, das die ganzen kurfürstlichen Weinberge nebst dem Hofhaus erworben hatte, betrieb das Weingut weiter. Wie der Kurfürst setzten diese einen Hofmann als Verwalter ein und die Pächter mussten Ihre Naturalpacht und den Zehnten wie bisher an die gleiche Stelle liefern. Von einer Verbesserung der Situation der Winzer konnte keine Rede sein.

Dieses ging noch über 100 Jahre so weiter, bis das Weingut Korn- und Rumpel finanzielle Probleme bekam und 1911 dann seine Weinberge in Briedel parzellenweise verkaufte. Bei dieser Versteigerung kamen dann viele Briedeler Winzer zum Zuge, wenn auch die gebotenen Preise für das aktuelle Jahr, besonders aber im Vergleich zu der Säkularisation, sehr hoch waren.

 

Interessantes aus den Chroniken:

1803 Vor dem Rathaus errichtete man einen Freiheitsbaum mit den französischen Nationalfarben und vergnügte sich 8 Tage. Dann musste man feststellen, das sich eigentlich nichts geändert habe!

Der Pastor hatte generell Bürgerrecht in der Gemeinde, d.h. er konnte an den gemeinsamen Nutzungen teilhaben, ohne sich vorher einkaufen zu müssen. Sein Holzrecht bedeutete die Gestellung von Brennholz etc. für Pfarrhaus und Kirche durch die Gemeinde. Auch musste der Pastor nur halbe Hundesteuer bezahlen, da der Hund auch die Kirchengegenstände bewacht.

Gemeinde bzw. Bürger bauten und unterhalten den Kreuzweg an der Sündstraße.
Es ist ja ein Weg, den die Bürger oft tage und wochenlang auf dem Weg zu ihren Feldern und den Lohstücken laufen mussten. Die Anregungen dazu kamen 1719 fürs Sündhäuschen und 1850 zur Erneuerung des Kreuzwegs immer vom Pastor. Bei dem steilen Anstieg mit der großen Last auf dem Rücken kann das Beten des Kreuzweges zur inneren Ruhe beitragen. Heute nennt man so etwas Einkehr oder Meditation. Der Pastor besorgte jedoch eine "gebrauchte" alte Pieta für die abschließende Sündkapelle, die von der Pfarrgemeinde restauriert und dann aufgestellt wurde. Nach Restauration 1946 durch die Gemeinde, steht sie heute in der Gefallenenkapelle in der Kirche. Die neue Pieta im Sündhaus wurde durch die Zivilgemeinde angeschafft.
(siehe: Sündkapelle und Kreuzweg)

Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hatte die Zivilgemeinde die Kosten der Wallfahrten zu bestreiten. Aus überlieferten Aufzeichnungen geht hervor, das z.B. bei der Klausenwallfahrt Fahnenträger und die Chorsänger je Tag 1 Maß Wein (1,3 l ) von der Gemeinde erhielten. Für die Kirche Klausen lässt die Zivilgemeinde Kerzenständer anertigen. Auch stellt die Zivilgemeinde Wachs (Kerzen) und Wein für die Wallfahrer bereit. Bei der Wallfahrt nach Reilkirch stellt die Zivilgemeinde Essen und Trinken für Fahnenträger und Schützen sowie das Pulver für Böllerschüsse.

1594 erfolgt die Einführung der Kirchenbücher und damit eine regelmäßige Kontrolle der Einwohner bzw. der Gläubigen. Die Briedeler Kirchenbücher sind alle in einem guten Zustand und sauber geschrieben erhalten geblieben. Das ist sicherlich der ständigen Präsenz der Himmeroder Patres zu verdanken. Die weltlichen Herrscher lassen regelmäßig Steuerlisten erstellen. Hier wird aber meist nur der jeweilige Haushaltsvorstand benannt, nicht die weiteren Familienmitglieder. 1798 erfolgt die Einführung der Zivilstandsbücher durch die Franzosen, die auch die Kirchenbücher beschlagnahmen und nach Paris schaffen. Sinn ist die Rekrutierung von Soldaten für die Armee. Viele Pastöre hatten in Vorahnung dieser Dinge manche Jungen bei der Geburt als Mädchen mit der weiblichen Form des Namens verzeichnet, um die Hebung zu Militär zu behindern. 1815 übernahmen die Preußen die französischen Regelungen und die Kirchenbücher kamen ins Bistumsarchiv zurück. Das Führen von Kirchenbüchern war anfangs offiziell untersagt, wurde aber meistens fortgeführt.
Die erste Schule war im Pfarrhaus "alte Parf" neben der Kirche. (heute Leichenhalle). Der Pastor unterrichtet anfangs die Kinder, später kommt ein angestellter Lehrer der Gemeinde. (erste urk. Nachweis 1633).
siehe: Die Volksschule

1780 beschwert sich der Lehrer bei der Visitation durch den Bischof, dass die Räume zu klein, zu dunkel und ungesund seien, die Gemeinde aber seit Jahren der Aufforderung zum Schulneubau nicht nachkomme.
1831 erfolgt dann ein Neubau der Schule durch die Gemeinde Das Baugelände der Schule entstammt aus Himmeroder Besitz, das im Zuge der Säkularisation an die Zivilgemeinde überging.

Während des Kulturkampfs der katholischen Kirche mit dem preußischen Staat war von 1878 bis 1884 kein Pfarrer in Briedel, die durch Tod vakante Stelle durfte nicht wieder besetzt werden. Die Vertretung erfolgte durch den Pündericher Pfarrer. Auch die Kirchenbucheintragungen über Geburten und Sterbefälle stehen für diese Zeit in den Pündericher Kirchenbüchern.

Kriegerdenkmal I. Weltkrieg. 1926 Erstellung durch die Kirchengemeinde, hälftige Kostenbeteiligung durch die Zivilgemeinde. Zur Deckung der Kosten von 5.000 Mark lässt die Gemeinde Holz einschlagen. Das Sandsteinreliev steht heute wieder in der Kirche.

Kriegerdenkmal II, Weltkrieg.
1947 erfolgte der Anbau der "Marienkapelle" an die Pfarrkirche durch die Kirchengemeinde und Anbringung der Namenstafeln durch die Zivilgemeinde. Die Pieta kommt aus der Sündkapelle und Restauration durch Zivilgemeinde und Spenden.
(siehe: Gefallenenkapelle)
(siehe: Pieta)

Der Kindergarten wurde 1916 von der Gemeinde eingerichtet, wobei die Pfarrei die Betreuung übernahm. Der Neubau 1962 wurde von Gemeinde auf kirchlichem Baugrund finanziert. Heute erfolgt eine entsprechende öffentliche Kostenbeteiligung der in kirchlicher Trägerschaft stehenden Kindertagsstätte.
siehe: Kindergarten

Die Kirchturmuhr wurde um 18xx vermutlich von der Zivilgemeinde angeschafft. Genaue Eigentumsverhältnisse lassen sich nicht mehr ermitteln. Als 1947 eine neue elektrische Uhr von der Pfarrgemeinde angeschafft wurde, kam es u.a. wegen eines Nutzungsvertrages mit der Zivilgemeinde zum Zerwürfnis. Der Pastor schaltete daraufhin die Uhr ab und verweigerte der Gemeinde den Zutritt zum Turm. Erst nach langen Verhandlungen konnte eine Einigung erziehlt werden und die Kirchenuhr zeigt uns wieder die Zeit.
siehe: Kirchturmuhr

Ähnliches ergab sich aus der Nutzung der Glocken für gemeindliche Zwecke. Nach dem Einbau eines elektrischen Läutewerkes 1947 wollte der Pastor dieses unterbinden, die Gemeinde bestand jedoch auf ihren alten Rechten. Auch hier konnte erst durch Vermittlung des Bischofs eine Einigung erzielt werden.
siehe: Glocken

An dem 1984 erbauten Pfarrheim beteiligte sich die Zivilgemeinde mit 25 % an Baukosten und Betriebsaufwand.
siehe: Das Pfarrheim

Der Friedhof, früher Kirchhof, war kirchlich und lag um die Kirche herum, wobei beim Kirchenneubau 1774 eine Reihe von Gräbern wegfielen. 1840 wurde der Friedhof von der Zivilgemeinde nach oben erweitert. Die Verantwortung für die Gesamtanlage war schon in der Franzosenzeit auf die politische Gemeinde übergegangen. Der kleine Friedhof neben der Kirche wurde um 1960 aufgehoben und ein Parkplatz angelegt. Im Zuge der Flurbereinigung 1974 wurde der Friedhof oben großzügig erweitert und durch einen Weg erschlossen, damit man auch mit Autos hinfahren kann.
siehe: Friedhof

Die Bestattungssitten ändern sich auch bei uns. Vermehrt werden Feuerbestattungen gewählt. Die Urnen werden dabei oftmals in vorhandene Gräber von Familienangehörigen beigesetzt, Dadurch, und durch den wegen Bevölkerungsrückgang und längerem Leben verminderte Anzahl von Sterbefällen, entstehen mittlerweile große Freiflächen, die von der Zivilgemeinde gepflegt werden müssen.

Die Friedhofsmauer bzw. Stützmauer des Kirchenumlaufs steht heute nach der Flurbereinigung auf Gemeindeland. Über die erforderliche Sanierung des unteren Abschnitts wird sich trefflich gestritten.

Der Treppenaufgang, im Zuge des Kirchenneubaus umgestaltet und durch Teilabbruch einer Überbauung durch das Pfarrhaus "Alte Parf" verbreitert, wurde zuletzt 2012 von freiwilligen Helfern, initiiert von der Zivilgemeinde saniert. Dabei wurde die Beleuchtung - Straßenlaternen - 2012 als Muster für moderne Energiesparleuchten vom RWE für die Gemeinde gespendet.

Briedel war immer ein rein katholischer Ort. Die Mitglieder der Pfarrgemeinde und der Zivilgemeinde waren praktisch identisch, was viele Entscheidungen über Gemeinschaftsprojekte vereinfachte. Wenn auch einige ritterliche Grundherren die Reformation in ihrem Herrschaftsbereich durchsetzten, hatte dies für Briedel keine Auswirkungen, da es keine Leibeigenen gab. Die Briedeler waren alle ausnahmslos dem Kloster Himmerod bzw. dem Kurfürsten verpflichtet. Bei der Volkszählung 1925 wurden z.B. nur 2 Evangelische gezählt. Erst nach dem 2. Weltkrieg kamen vermehrt Nichtkatholiken in den Ort.
Siehe Bevölkerungsentwicklung

Es lag in der verfestigten Struktur von Kirch- und politischer Gemeinde mitbegründet, dass die Wirkungsbereiche beider Kommungen keineswegs immer strikt voneinander abgegrenzt werden konnten und tatsächlich auch in vielerlei Hinsicht komplementär waren. So konnte sich die "politische Gemeinde" unter dem Einfluß des Klosters Himmerod und des Erzbischofs von Trier kaum entfalten.

Die Mitglieder des Gemeinderates und die jungen Bürger der Gemeinde sind heute nicht mehr so kirchenhörig wie früher. Die jahrhundertelange fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Zivil- und Kirchengemeinde wird heute doch kritischer beurteilt.

Nachdem 2012 die Pfarrei Briedel in die Pfarreiengemeinschaft Zeller Hamm eingegliedert wurde und wir keinen eigenen Pastor mehr haben, wurde das Pfarrhaus verkauft. Die Kontakte zwischen Zivil- und Kirchengemeinde werden sich darunter sicherlich weiter abschwächen.

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