Die Geschichte vom Herzchen und ihrem Sohn

Von Hans Brück

 

Als der Winzer Johann Römer aus Briedel an einem frühen Herbsttag mit seiner ältesten Tochter Katharina, die von gar liebreizender Gestalt war, über die Moselberge nach Clausen unterwegs war, langten sie am späten Nachmittag in Bernkastel-Cues an, um sich ein Nachtlager zu suchen. Der Zufall wollte es, dass sie beim Fährmann unterkamen.

Trübe Stimmung herrschte im Hause, denn der einzige Sohn lag krank danieder und jegliche Arznei versagte. Da packten die Fremden aus Briedel ihre Wegzehrung aus, darunter einige Flachen Briedeler Wein. Katharina trat ans Krankenlager, schaute dem Ärmsten liebevoll und tröstend zugleich in die Augen und ließ ihn einen kräftigen Schluck Wein schlürfen. Entzückt von dem Anblick der lieblichen Maid und der Wirkung des guten Tropfens, begann das Herz des Jünglings kräftiger zu schlagen.

Am nächsten Morgen zogen die Gäste weiter und vergaßen nicht, ihre „Medizin“ dem Kranken zu schenken. Wenige Tage später waren die Wanderer wieder auf dem Heimweg und wollten sich nach dem Befinden des jungen Fährmanns erkundigen. Dieser stand aber schon wieder am Seil seiner Fähre und rief beim Anblick seiner schönen Briedelerin freudig aus: „Willkommen, mein Briedeler Herzchen!“

Im Jahr darauf wurden die beiden ein Paar. Ihr jüngster Sohn kam zu großen Ehren: Er war der berühmte Kardinal Nikolaus von Cues, als Geistesgröße seiner Zeit noch heute unter dem Namen Cusanus bekannt und geehrt. Und durch diese hübsche Geschichte – so sagen die Briedeler – kamen sie zur Bezeichnung ihrer besten Weinbergslage: „Briedeler Herzchen“.

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