Gefallen für Volk und Vaterland

- 500 Jahre Kriegsopfer aus Briedel -

ek1 1914

 

„Gefallen für Volk und Vaterland"
oder „Er starb den Heldentod fürs Vaterland".
So oder ähnlich wurde es in den beiden großen Weltkriegen auf die Totenzettel von rund zweihundert jungen Briedeler Männern geschrieben.
„Begeistert für die heilige Sache verließ er die Schule und trat in das Heer. Im Kampfe setzte er sein Herzblut ein für unseren und des Vaterlandes Schutz" schreiben die Eltern noch im April 1918 auf den Totenzettel ihres einzigen Sohnes.

Sie waren teils freudig ausgezogen um
Im 1. Weltkrieg dem Kaiser
und im 2. Weltkrieg dem Führer
zu dienen und verloren dabei ihr junges, hoffnungsvolles Leben. Besonders der Tod vieler junger Familienväter riss damit große schmerzhafte Lücken in die Familien Briedels. Die Kinder wuchsen ohne Vater auf und die jungen Mütter - sozusagen unfreiwillig zu Alleinerziehenden geworden - hatten alle Mühe, sich und die kleinen Kinder durchzubringen.

Vor nunmehr genau 100 Jahren wurde mit viel Hurra in den 1. Weltkrieg ausgezogen und die abrückenden Truppen wurden von der Bevölkerung begeistert verabschiedet. Die Soldaten wie die militärische und politische Führung waren der Meinung, Weihnachten sind wir wieder zuhause. Doch recht bald kamen die ersten Todesnachrichten in die Heimat und die Euphorie ließ schnell nach. Bis Kriegsende betrauerte Briedel 78 junge Männer, die ihr Leben lassen mussten.

„Im September 1914 wurde in unserer Gemeinde eine Jugendkompanie gebildet. Es traten alle Jünglinge vom 16. bis zum 20. Lebensjahre der Kompanie bei, welche aus 70 Mitgliedern bestand. Als Übungsplatz stellte die Gemeinde eine Wiese am Pündericher Wäldchen zur Verfügung, wo an den Sonntagnachmittagen die Kompanie einexerziert wurde". So berichtet der Chronist.
Begeisterte Berichte über Lebensmittel- und Kleiderspenden sowie Barspenden aus der Gemeindekasse an die Soldaten sind in der Chronik verzeichnet. Seitens der Gemeinde wurden die Soldaten in einer Kriegerversicherung versichert und wöchentlich wurden zwei Kriegsandachten gehalten, um Gottes Beistand für unsere gerechte Sache zu erhalten.

Die Gemeinde zahlte freiwillig eine Unterstützung von 12 Mark für jede Frau eines im Felde stehenden Kriegers und für jedes unversorgte Kind 6 Mark. Auch wurde 1915 eine Verwahrschule, heute Kindergarten, eingerichtet, damit sich die Frauen der eingezogenen Männer ungestört den landwirtschaftlichen Arbeiten widmen konnten.

In den späteren Jahren ist hingegen viel von „Maßnahmen zur Sicherung der Volksernährung" zu lesen.

Nur 160 Kilometer von uns entfernt fand im September 1870 in Sedan die entscheidende Schlacht dieses Krieges statt. Gerade dieses Kriegsereignis wurde später u.a. mit dem Lied „Fern bei Sedan" noch richtiggehend verklärt. Um Verdun, auch nur 160 Kilometer weit weg, fanden im 1. Weltkrieg jahrelange erbitterte Stellungskämpfe statt, die ein enormes Blutopfer forderten und die Region bis heute verwüsteten. Auch die sogenannte Ardennenoffensive, die letzte große Entscheidungsschlacht des 2. Weltkrieges, tobte direkt vor unserer Haustür.

Nach meiner Meinung müssten alle Schüler und Schülerinnen verpflichtend einen Klassenausflug nach Verdun machen. Nur vor Ort kann man das Entsetzliche etwas verstehen lernen und erkennen, dass wir weiter mit aller Macht für den Frieden eintreten müssen.

„Man empfindet es viel intensiver, wenn man die endlosen Friedhöfe und heute noch umgepflügten Landschaften sieht. Der 1. Weltkrieg eignet sich wie kein anderer Krieg dazu, die Sinnlosigkeit eines Krieges zu demonstrieren." So las ich kürzlich in einem Bericht der Rhein-Zeitung anlässlich des 100-jährigen Gedenkens an den Ausbruch des 1. Weltkrieges.

Trotz aller dieser Leiden feierten knapp 20 Jahre später die jungen Briedeler ihre Musterung - sozusagen der erste Schritt zum Soldatenschicksal - ganz zünftig mit Musik und Umzug. Wenn man die wenigen erhaltenen Fotos betrachtet, ist man richtiggehend erschüttert, wie viele von den dort fröhlich in die Kamera lächelnden Jungen nur wenige Jahre später tot waren und in fremder ferner Erde beerdigt wurden.

Dieser zweite Weltenbrand kostete 115 jungen hoffnungsvollen Briedeler Männern das Leben. 26 davon gelten noch heute als vermisst, d.h. Es ist immer noch nicht bekannt, wie und wo sie starben und beerdigt liegen. Viele Unterlagen darüber sind auch durch die Kriegswirren verloren gegangen und haben große Lücken hinterlassen. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Institutionen ist auch heute noch täglich mit der Suche nach Vermissten und deren Schicksalen befasst. Leider, so muss man sagen, ist nach so langer Zeit die Chance auf Aufklärung recht gering. Die meisten betroffenen Soldaten wären heute auch allein aus ihrem hohen Alter heraus verstorben und auch Eltern und Ehepartner leben meist nicht mehr. Die Kinder, die ihre Väter nur wenig als Kleinkind oder überhaupt nicht kannten, haben den Wunsch nach Aufklärung oft aufgegeben.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der in der ganzen Welt die bekannten deutschen Kriegsgräberstätten betreut, bemüht sich, den Toten ein würdiges Andenken zu bewahren. Bei Durchforstungen von bisher unerforschten Grabfeldern und Umbettungen in gepflegte Kriegsgräberstätten wird versucht, ungeklärte Schicksale aufzuklären. In 2013 gelang das noch bei rund 30.000 Vermissten. Bisher sind in den Datenbanken des Volksbundes nur 56 - das ist etwa die Hälfte - der Briedeler erfasst und die Grabstätte identifiziert. Lange Zeit verhinderte der eiserne Vorhang den Besuch der Gräber. Aber auch nachdem die Möglichkeiten geschaffen waren, haben nur noch wenige Briedeler sich aufgerafft, die letzte Ruhestätte ihres Kindes, Ehemannes oder Vaters zu besuchen um seiner zu gedenken.

„Die Zeit heilt alle Wunden", ist ein hier zutreffendes Sprichwort.

Die dem Inferno des Krieges entronnenen Überlebenden - einige davon nach langer und qualvoller Gefangenschaft - hatten oft Mühe, sich wieder in das normale zivile Leben einzugliedern. Mit harter Arbeit und hohem Durchhaltewillen schafften Sie es zusammen mit den vielen jungen Kriegerwitwen, Briedel und die Region wieder aufzubauen. Wenn sie dann abends beim „Maien" zusammensaßen oder bei den Weinproben im Keller, wurde vielfach über die Erlebnisse als Soldat berichtet. Grauenvolle Ereignisse und der Tod der Kameraden kamen darin aber nur ganz wenig vor. Hingegen wurde über die frohen Stunden, die gute Kameradschaft und Weiteres oft in hohen Tönen geschwärmt. Wurde der Feldzug doch immer noch oft ähnlich einer Urlaubsreise aufgefasst. In den frühen Zeiten kamen die jungen Männer kaum aus dem Ort heraus und der Kriegszug brachte sie, wenn auch meistens zu Fuß, weit in ferne Länder.

Dieses Verhalten beruht teilweise noch auf den uralten Gebräuchen des Kriegsdienstes. Mir scheint, als ob es schon in den Genen der Menschen verankert sei.

Seit Bestehen der Menschheit gibt es Kampf und Krieg zwischen den Menschen - schon Kain erschlug seinen Bruder Abel - , zwischen einzelnen Gruppen oder Sippen, zwischen kleineren und größeren Herrschaftsbereichen und seit der Staatenbildung in der Neuzeit auch zwischen den Staaten und Staatenbünden. Daneben lodern in der ganzen Welt auch derzeit noch viele Machtkämpfe und Bürgerkriege, deren Leidtragende wie immer nur die Bevölkerung ist.

In den frühen Sippen war jeder wehrfähige Mann verpflichtet, an den Kämpfen der Gruppe teilzunehmen. Oft war der Eroberungsdrang die Hauptlebensgrundlage der Gemeinschaft. Kriegsbeute und Sklaven waren der Lohn für den Einsatz und der Verlust der Freiheit oder gar des Lebens war das Risiko.

Später ersetzten besonders die Römer die allgemeine Wehrpflicht mehr und mehr durch Söldnertruppen. Auch diese finanzierten sich generell durch Beutezüge o.ä.. In kampffreien Zeiten (Friedenszeiten) wurden die stehenden Truppen als Arbeiter in der Infrastruktur - Straßenbau etc. - eingesetzt, damit die Versorgungskosten sinnvoll aufgebracht werden konnten.

Auch das mittelalterliche Lehnswesen als rechts- und staatstragendes Element beruht im Grunde auf der Verpflichtung eines jeden freien Mannes, sich dem Aufruf des Herrschers zum Heerdienst zu stellen. Und diese Aufrufe gab es ständig. Wenn der König nicht gerade gegen Türken oder Franzosen sondern stattdessen mal wieder nach Italien zog, kloppten sich die kleinen regionalen Herren um Einfluss, wobei Erbstreitigkeiten i.d.R. der Auslöser waren.
Durch das alte germanische Erbrecht der Realteilung hatten alle männlichen Nachkommen gleichen Anspruch auf Besitz und Titel. Da aber nur einer herrschen konnte, musste er seine Mitbrüder loswerden. Wenn das nicht durch die Unterbringung in einem Kloster zustande gebracht werden konnte, kam es zum offenen Streit, wobei dann oft die Untergebenen mal für den einen, mal für den anderen ihren Kopf hinhalten mussten.

Interessant ist dabei, dass diese Kriege fast ausschließlich in den Sommermonaten stattfanden, da zu dieser Zeit die Versorgung der Truppen aus den eroberten Gebieten heraus am sichersten zu gewährleisten war. Zum Beginn der Ernte kam es zum Waffenstillstand und die Bauern konnten auf ihre Felder zurück. Denn nur eine gute Ernte brachte den Herrschaften auch Steuern und Abgaben ein, von denen sie letztendlich lebten und mit denen Sie ihre Zwistigkeiten finanzierten.
Die wachsenden Kosten für moderne Waffen (Pferde und Rüstungen) waren von vielen nicht mehr aufzubringen. Diese gingen dann sogenannte Lehensverhältnisse mit ihren Herrschaften ein, wodurch diese die Heerespflicht übernahmen und dafür von den Lehensnehmern unterhalten wurden. Das ist die Grundlage des mittelalterlichen Ritterwesens. Diese waren dann sozusagen ein stehendes Söldnerheer des Landesherren. Ohne den erbeuteten Reichtum und die Arbeitskraft von Gefangenen und Leibeigenen, auch als Sklaven zu bezeichnen, hätten die Burgen und Schlösser nicht gebaut werden können.

So mussten auch die Briedeler dem Kurfürsten von Trier in der Sickinger-Fehde um 1522 Soldaten zur Verfügung stellen. Jeder Ort hatte, gemessen an seiner Einwohnerzahl, eine bestimmte Anzahl an Soldaten abzustellen. So hatte das Amt Zell 310 Mann für Triers Verteidigung zu entsenden. Wieviele davon aus Briedel waren und ob Opfer zu beklagen waren, ist nicht überliefert.

In den Religionskriegen infolge der Reformation zieht 1587/88 das Regiment Bellemont mit 3.500 Mann entlang der Mosel und plündert auch Briedel.

Über die Jahrhunderte hinweg bestanden die Truppen aus Söldnern, wobei oftmals die Bewohner in die Truppe gepressst wurden. Von Freiwilligkeit konnte da keine Rede sein. Während des 30-jährigen Krieges, der unsere Region zu Anfang recht wenig, dafür gegen Ende um so stärker belastete, sind uns aus den Kirchenbüchern der Tod von 3 Briedelern verzeichnet. Während schon 1620 spanische Truppen den ganzen Winter über in Briedel Quartier bezogen hatten und sich von der Bevölkerung beköstigen ließen, waren es 1632 bis 1635 schwedische Soldaten, die plündernd und mordend auch durch Briedel zogen. Peter Diederich wird „von den Schweden jämmerlich erschlagen" und Peter Hoffmann stirbt durch eine Kanonenkugel. Wieviele insgesamt in den verschiedenen Truppen dienen mussten und dort ihr Leben ließen, ist nicht nachvollziehbar. In den Kirchenbüchern wurden nur die am Ort gestorbenen verzeichnet. Eine Rückmeldung an das Geburtspfarramt war nicht üblich. Überlieferte Berichte über diese Zeit zeigen auf, das sich viele Männer den Söldnertruppen anschlossen, weil diese Truppen, die sich ja durch Raub und Beschlagnahme versorgten, meist besser verpflegt wurden. Die Bauern auf ihren eigenen Feldern litten unter Verwüstung der Äcker und Raub, sodass sie oft hungerten. Die Gefahr im Kampf wurde nicht so risikoreich eingestuft, als der drohende Hungertod zuhause.

In den nachfolgenden Erbfolgekriegen, die das Leiden der Bevölkerung im linksrheinischen Gebiet noch um 20 Jahre verlängerten, sind uns zwei Tote vermerkt, wobei Friedrich Büsch bei der Plünderung der Briedeler Kirche von den Franzosen getötet wurde.

Die vielen Menschen, die an den von den durchziehenden und marodierenden Truppen eingeschleppten Seuchen, insbesondere der Pest, starben, gehören sicherlich auch zu den Kriegsopfern. 1636 vermerkte der Pfarrer in der Chronik „Die Pest raffte in den letzten Monaten ein Drittel der Bevölkerung hin". Die Einwohnerreduzierung war damit relativ noch größer als im 1. und 2. Weltkrieg zusammen. Darüber hinaus verursachten die Plünderungen, Kontributionszahlungen und Einquartierungskosten enorme wirtschaftliche Belastungen der Bevölkerung.

Kaum eine Generation später, in den ersten Türkenkriegen, wurde - so informiert uns ein Eintrag im Briedeler Kirchenbuch - Johann Adam Güllen von den Türken vor Wien jämmerlich erschlagen.

Unsere Chronik berichtet, dass ab 1693 in der Zeit der Besatzung durch die französischen Truppen von Ludwig XIV. mehrere junge Leute aus Briedel mit Gewalt von den Franzosen zum Kriegsdienst weggeführt wurden. Über deren Schicksal ist bisher nichts überliefert. Aus anderen Quellen ist aber bekannt, dass nur wenige der Zwangsrekrutierten später zurück in ihre Heimat kamen. Auch in dieser Phase sind hessische und hannoveranische Truppen bei uns über zwei Winter einquartiert, wobei die Gemeinde die Kosten zu tragen hatte. Solche Einquartierungen, über die uns die Chronik noch mehrfach informiert, beeinflussten das Leben im Ort stark, denn die Soldateska spielten sich wie die Herren auf und lebten auf Kosten der Einwohner. Die Frauen hatten besonders darunter zu leiden, wie uns die Einträge mehrerer illegitimer Geburten im Taufbuch aufzeigen.

Im Laufe des zweiten Türkenkrieges leistete die Gemeinde Briedel Anfang 1738 insgesamt sieben Zahlungen für Gefangene in der Türkei. Ob es sich hierbei um Lösegelder für Briedeler Männer handelte oder um pauschale Geldanforderungen des Kaisers, ist nicht verzeichnet.

Aber auch zu anderen Zeiten dienten Briedeler teils freiwillig in fremden Armeen. So wird über Martin Büsch berichtet, der als Chirurg (Feldarzt) in der k.u.k. Österreichischen Armee diente und in deren Kriegen von Truppen der Stadt Genua gefangen genommen wurde und erst nach zwei langen Jahren Ende 1749 wieder entlassen wurde.

Auch Johann Feet diente 1751 in der preußischen Armee, obwohl unsere Heimat zu der Zeit Teil des Kurfürstentums Trier war. Er starb, wie ein Vermerk im Kirchenbuch ausweist, am 4.5.1751 in Spandau.

Nach hundert Jahren eroberten die französischen Truppen, diesmal unter Napoleon, ein weiteres Mal die Rheinlande. Wiederum wurden viele junge Männer gezwungen, mit den Truppen nach Osten zu ziehen, wo Napoleon Russland überfallen hat. Über Anton Stülpen wissen wir, dass er beim Tod seiner Ehefrau als „z.Zt. Französischer Soldat" bezeichnet wird und an anderer Stelle ist vermerkt, dass er in Russland gefallen ist. Durchziehende Truppen während der folgenden Befreiungskriege beschlagnahmten Lebensmittel und Vieh, insbesondere die Pferde.

In den Kirchenbüchern wurden in dieser Zeit neugeborene Knaben oftmals mit der weiblichen Namensform eingetragen (z.B. Pauline für Paul), um den Franzosen das spätere Ausheben von Soldaten zu erschweren, denn diese hatten alle Taufbücher konfisziert und daraus die Musterungslisten erstellt.

Im Zuge der Staatenbildung des Deutschen Reiches - das mittelalterliche Reich war kein Staat im heutigen Sinne und bestand aus vielen überwiegend Eigeninteresse verfolgenden Einzelterritorien - kam es 1864/1866 zum Krieg der norddeutschen Territorien unter Führung Preußens gegen die süddeutschen unter Führung Österreichs. Auch unsere Männer mussten ran. So beschloss der Gemeinderat 1859, dass jedem der zum Militär einberufenen Mann aus der Gemeindekasse ein Betrag von 2 Thalern als Unterstützung gezahlt wird. Diese Zahlung wird 1866 auf alle Landwehrleute und Reservisten ausgedehnt. Auch werden in diesen Jahren mehrmals Spenden für gefallene und schwer verwundete Kriegsteilnehmer geleistet. Die militärische Überlegenheit Preußens drängte den Einfluss Österreichs im deutschen Reich - der österreichische König war ja über Jahrhunderte hinweg stets auch deutscher Kaiser - zurück und bereitete den Boden für den Krieg 1870, wieder einmal gegen Frankreich. Der Sieg war dann die Basis zur Gründung des zweiten deutschen Reiches mit dem preußischen König als neuem deutschem Kaiser. Chronik und Kirchenbücher halten sich mit Einträgen zurück. Drei Briedeler Gefallene konnten wir bisher aus Verlustlisten verschiedener Regimenter, die im Internet für alle einsehbar sind, ermitteln. Wahrscheinlich bringen künftige Veröffentlichungen weitere Opfer zutage.

Während der Kämpfe wurde auch in Briedel eine Requestationskommission eingerichtet, die die Lebensmittelversorgung der Bewohner sichern sollte. Dazu wurde u.a. Reis auf Gemeindekosten bevorratet.

Die große Katastrophe der Menschheit kam dann mit dem ersten Weltkrieg. Hier ließen, wie schon erwähnt, 78 junge Briedeler ihr Leben. Zum Gedenken daran errichtete die Zivilgemeinde ein Sandsteinrelief mit allen Namen der Gefallenen, das nach einigen Umsetzungen, derzeit hinten in der Kirche eingebaut ist.

Für die nach der Demobilisierung Zurückgekehrten fehlte es an Erwerbsmöglichkeiten. So wurden verschiedene öffentliche Projekte (Wegebau, Drainagearbeiten etc.) als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Gemeinde vergeben. Den Armen und Kriegerwitwen stellte die Gemeinde kostenlos Gartenland zur Verfügung, „damit sie Kartoffeln und Gemüse anbauen und sich damit vor Hunger schützen können".

Der zweite Weltkrieg, der nur eine Generation später über die Welt hereinbrach, kostete, wie schon genannt, 115 jungen Briedelern das Leben.

1942 wurden, wie schon im ersten Weltkrieg einmal, die Kirchenglocken vom Turm geholt und für die Waffenproduktion beschlagnahmt. Später wurden dann auch Weihwasserbecken, Weihrauchkessel, Kerzenständer etc., insgesamt 46,25 kg edle Metalle, konfisziert. Während 1917 die metallenen Pfeifen des Prinzipalregisters der Orgel gegen eine Entschädigung von 500 Mark abgeliefert werden mussten, konnte 1944 die schon wieder angeordnete Beschlagnahme aller Pfeifen aus der Orgel glücklicherweise verhindert werden.

Während das Denkmal für die Befreiungskriege gegen Napoleon 1813 und die Siegessäule für den Krieg 1870 noch imposante Basaltwerke darstellten, war das Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges ein Sandsteinrelief. Zum Gedenken an den großen Verlust des 2. Weltkrieges entstand die kleine Gefallenengedenkkapelle an der linken Kirchenwand, die wir heute nach Renovierung wieder eingeweiht haben.
(siehe dazu „Die Gefallenenkapelle" und „ Die Pieta in der Briedeler Kirche")

Lange Jahre erzählte man sich, dass die Zahl der Toten des 1. Weltkrieges der Zahl der Stufen der Kirchentreppe von der Sünd aus und die des 2. Weltkrieges der Stufenzahl von der Kehr aus entsprechen würde. Durch die vielen zunächst nur als vermisst Erfassten sind diese Zahlen jedoch deutlich überschritten worden. Heute kann man sagen, das auf jeder der 76 Treppenstufen von der Sünd zur Kirche und den 115 bis ganz hinauf auf den oberen Friedhof ein junger Briedeler Soldat stehen könnte.

Nicht vergessen wollen wir aber auch alle anderen Personen, die im Zuge der Kriegshandlungen, sei es bei Granatbeschuss oder Mord, ums Leben kamen. Auch der Verwandten, z.B. der in Briedel geborenen und als Jüngling nach auswärts verzogenen Opfer sowie der fremden Soldaten, die auf Briedeler Gemarkung ihr Leben ließen, wollen wir gedenken. So sind 5 auf dem Briedeler Friedhof beerdigte Soldaten später auf den Ehrenfriedhof Prinzenkopf umgebettet worden.

In den Vermisstenlisten der Amtsverwaltung Zell sind weitere 6 Soldaten aufgeführt, bei denen ich bisher noch keinen direkten Bezug zu Briedel finden konnte. Wahrscheinlich wohnten deren Angehörige nach dem Krieg als Flüchtlinge bei uns und stellten von hier aus die Vermissten- und Suchaufträge.

Bei allem Gedenken an unsere Mitbürger, die in den Kriegen ihr Leben lassen mussten, sollen aber auch alle die, die in Gefangenschaft gerieten und dort unter teils menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten mussten, nicht vergessen werden. In Aufzeichnungen des Bürgermeisters vom Mai 1947 sind noch 72 Namen aufgeführt, die sich zwei Jahre nach Ende des schrecklichen Krieges immer noch in Gefangenschaft der Alliierten befanden. Weiter aufgeführt sind 125 Soldaten, die zwischenzeitlich aus der Gefangenschaft von Amerikanern und Engländern entlassen wurden.

Aber auch mit Ende des 2. Weltkrieges nahm das Leid kein Ende. Die Bundesrepublik wurde wieder bewaffnet und 1981 musste Burkhard Rees bei einem Unfall bei der Bundeswehr sein junges Leben für die Freiheit unseres Landes lassen.

Der Aderlass von rund 200 jungen Männern, nach Medizinerdeutsch „in bestem biologischen Alter" hat die Bevölkerungsentwicklung Briedels maßgeblich mitgeprägt. So ist seit dem Höchststand von 1939 eine kontinuierliche Reduzierung der Einwohner auf heute nur noch etwa die Hälfte zu verzeichnen. Nach der letzten Volkszählung gibt es in Briedel nur noch 130 wehrfähige Männer im Alter von 19 bis 45 Jahren.

Die verschiedenen, teils halbprivaten Aufzeichnungen über die Briedeler Soldaten, lassen über die Gesamtzahl der eingezogenen Männer keine genauen Aussagen zu. Zum Ende des Jahres 1943 verzeichnet die Schulchronik, dass 312 Briedeler im Felde seien. Die Gemeindechronik, die Anfangs in Siegesgewissheit schwelgte, verschweigt uns ab 1943 das Geschehen, wohingegen die Schulchronik bis 1944 erhalten ist und nach 1946 aus der Erinnerung des Chronisten nachgeschrieben wurde. Die Pfarrchronik hingegen zeigt während des ersten Weltkrieges noch lange Sympathie „für die gerechte Sache". In der Zeit des 3. Reiches, besonders in den Kriegsjahren, ist jedoch eine zurückhaltende bis vorsichtig ablehnende Haltung des Chronisten erkennbar.

Zum Ende des Krieges ermittelte ich aus verschiedenen Listen über Gefallene, Vermisste, noch in Gefangenschaft befindliche und als amtlich entlassen Zurückgekehrte die Zahl von 313 Männern. Diese Daten sind aber nicht vollständig, da eine Reihe von Briedelern, die nachweislich Soldat waren, dort noch nicht aufgeführt sind. Diejenigen, die ohne offizielle Entlassungspapiere der Siegermächte nach Hause kamen, galten als Deserteure. Darüber gibt es verständlicherweise keine Aufzeichnungen. Insgesamt schätze ich die Zahl der Briedeler, die im zweiten Weltkrieg Soldat oder zwangsverpflichtet waren, auf cirka 450 Personen. Einige junge Männer hatten sich Anfang 1945 in der Briedeler Schweiz versteckt, um einer Einberufung noch kurz vor dem Einmarsch der Alliierten zu entgehen. Wenn wir dann zu den rund 330 Soldaten des ersten Weltkrieges noch die Wehrpflichtigen der Bundeswehr zählen, waren im abgelaufenen 20. Jahrhundert rund 1.000 junge Briedeler „unter den Fahnen".

Zum Schluss wollen wir aber auch diejenigen nicht vergessen, die in den Kriegszeiten zuhause die große Last zu tragen hatten. An die Witwen, Bräute und Frauen, die schwer arbeiten mussten, um sich den Lebensunterhalt zu erwirtschaften und Familie und Kinder zu ernähren. Auch die vielen kleinen Kinder, die ohne Vater aufwachsen mussten, sind ja Opfer des Krieges gewesen.

Danken müssen wir heute dafür, das die derzeitige Friedensperiode die längste Zeitspanne ohne Krieg und Brandschatzung der letzten 500 Jahre, wahrscheinlich sogar seit der Römerzeit, ist, die Briedel erleben durfte. Hoffen wir inständig, das uns der Friede erhalten bleibt.

 

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