Der Seidenbau
(Seidenraupenzucht) in Briedel
Hermann Thur 11/2013
Nachdem unsere Heimat nach den Napoleonischen Kriegen zu Preußen kam, versuchte die Verwaltung die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung zu verbessern. Eine kurze Blüte des rheinischen Weinbaus war durch die Bildung des deutschen Zollvereins zunichte gemacht worden und die Existenz vieler Winzer in unserer Weinbauregionen brach fast komplett zusammen. In einigen östlichen Bereichen des Königreiches Preußen waren seit einigen Jahren Experimente mit der Seidenraupenzucht unternommen worden. Anregungen dazu nahm man sich in Italien und Südfankreich, wo dieser Erwerbszweig schon zufriedenstellend genutzt wurde.
In der ersten Phase waren es überwiegend Lehrer, deren Frauen sich mit der Zucht der Seidenraupen und dem Spinnen des Fadens ein kleines Zubrot verdienten.
Von einigen wenigen wurden daraufhin ab 1820 auch bei uns an der Mittelmosel Maulbeerbäume angepflanzt und die Seidenraupen gezüchtet und deren Faden aufgehaspelt. Die Maulbeerbäume wurden meist in geringeren Weinbaulagen angepflanzt, aber auch Friedhöfe etc. waren ein beliebtes Pfalzareal. Zur Aufzucht der Seidenraupen wurde aber ein separater Raum benötigt, in dem die Puppen in gleichbleibender Temperatur ausgebrütet und die Raupen dann regelmäßig mit frischen Maulbeerblättern gefuttert werden konnten. In den engen Orten des Moseltals war jedoch oft keine Möglichkeit, diesen zusätzlichen Raum den sowieso schon beschränkten Wohnungen abzuzwacken.
Das Aufhaspeln des Kokons und das Spinnen des Seidenfadens war eine mühsame Frauen- und Mädchenarbeit, da sie über heißem Wasserdampf aufgedröselt werden mussten. Da nur für sorgfältig gesponnene Fäden gutes Geld bezahlt wurde, war es auch zeitaufwendig. Alte Aufzeichnungen berichten, dass die Frauen nachher oft wochenlang ihre Finger nicht richtig gebrauchen konnten.
Um 1835 waren viele überzeugt, dass der Seidenbau einen höheren Ertrag gewähren würde, als der Weinbau. Regierungsrat Türk aus Potsdam kam im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums extra an die Mosel, um die Chancen des Seidenbaus zu erkunden. Sehr detaillierte Vergleichsberechnungen der sachlichen Aufwendungen wie auch dem notwendigen Zeitaufwand zwischen Weinbau und dem Seidenbau schlugen sehr zu Gunsten des letzteren aus. Andere Maulbeerpflanzen und verbesserte Arten von Eiern (Grains), die man aus dem Mittelmeerraum beschaffte, verbesserten die Zuchtergebnisse.
Der Aufbau einer Musteranstalt für Seidenbau, zunächst von staatlicher Seite favorisiert, scheiterte jedoch nach Ausfall der Staatsgelder. Hier sollte die Raupenzucht in großen Hallen vorgenommen werden, da in den Privathäusern keine ausreichenden Räume zur Verfügung standen. Ein zu gründender Seidenbau-Verein sollte die neuen, aber teuren Haspelmaschinen anschaffen und die Bearbeitung der Kokons gemeinschaftlich durchführen, während Pflanzung und Pflege der Maulbeerbäume jeweils in Einzelhand verbleiben sollten. Das Seidenspinnen kam, auch bedingt durch das Fehlen der Musteranstalt und damit der Schulung, nicht richtig in Gang. Trotzdem wurden in den oberen Terrassen der Moselhänge geringe Weinbergslagen umgepflanzt bzw. neu gerodet. 1854 befiel eine unbekannte Krankheit die Seidenraupen und brachte den Seidenbau fast in ganz Europa zum Erliegen.
Mehrfach noch versuchten die Landräte des Kreises Zell, das Thema in Berlin vorzubringen und staatliche Förderung zu erreichen, sie blieb jedoch aus.
Erst die Bestrebungen zur Autarkie im Dritten Reich machten einen erneuten Anlauf zum heimischen Seidenbau. Seide wurde dabei vorwiegend zur Herstellung von Fallschirmen benötigt und ein Import war teuer und nicht in vollem Umfange möglich.
Auch in Briedel nahm man sich des Themas wieder an. Die Gemeinde kaufte im November 1936 500 Maulbeerbäume und stellte 10 Morgen Wiesengelände zur Anpflanzung bereit. Eine Kältewelle im Frühjahr beschädigte das Pflanzgut stark und wir haben danach keinerlei Informationen mehr über Maulbeerpflanzen und Seidenraupen in Briedel.