1895 - 1995
100 Jahre Raiffeisenbank Briedel-Pünderich eG
Auszug aus der Chronik erstellt zum 100-jährigen Jubiläum
von Hermann Thur
Ereignisse nach 1995 in Kursivschrift zugefügt.
Die Raiffeisenbank Briedel-Pünderich eG, Briedel, wurde am 08.12.1895 unter dem Namen Briedeler Spar- und Darlehnskassenverein eGmuH gegründet. Sie kann daher 1995 auf ein 100-jähriges Bestehen zurückblicken. Mehrmals im Laufe ihrer Geschichte hat die Genossenschaft ihren Namen gewechselt.
Seit dem Jahre 1977, als die frühere Raiffeisenkasse Pünderich durch Fusion übernommen wurde, trägt sie den heutigen Namen Raiffeisenbank Briedel-Pünderich eG.
In der mehr als 200-jährigen Geschichte des Weinortes Briedel ist eine Zeitspanne von 100 Jahren sicher nicht sehr viel. Trotzdem kann sie für ein Gemeinwesen von großer Bedeutung sein. Je nachdem, ob die in dieser Zeit lebenden Menschen Geschichte und Geschicke zu meistern verstanden, kann ein einziges Jahrhundert Entwicklung und Aufblühen, aber auch Nieder- und Untergang bedeuten.
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts fanden Genossenschaftsgründungen aller Art statt. Im ländlich strukturierten Bereich war es Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, der die erste landwirtschaftliche Genossenschaft gründete. Der Gründer der Volksbanken im gewerblichen Bereich war Hermann Schulze-Delizsch. Diesen beiden Gründervätern ist die Institutionalisierung, die Verbreitung und das Wachstum der genossenschaftlichen Idee zu verdanken. Wie kam es zu den Genossenschaftsgründungen des vorigen Jahrhunderts?
Den Winzern, Bauern, Kleinhandwerkern und Gewerbetreibenden fehlten die notwendigen Geldmittel zur Erhaltung und zum Ausbau ihrer Betriebe. Die teilweise zu Hungersnöten führenden Missernten schufen trostlose Verhältnisse. Öffentliche Kreditinstitute gab es damals noch nicht, so dass diese Menschen von privaten Geldgebern, Maklern und Händlern abhängig waren.
Der Geld-, Vieh- und Landwucher nahm in der damaligen Zeit krasse Formen an, so aß viele Kleinbetriebe ruiniert und zur Aufgabe gezwungen wurden. Viele Menschen wanderten aus, um der verzweifelten Situation zu entgehen. Aus dieser Not heraus wurden die ersten Darlehnskassenvereine gegründet.
Am 08.12.1895 versammelten sich auf Einladung von Pfarrer Paelzer und Lehrer Staudt 12 Briedeler Winzer und gründeten den Briedeler Spar- und Darlehnskassenverein eGmuH. Es war eine Genossenschaft mit unbeschränkter Haftpflicht, das bedeutet, dass die Mitglieder alle mit ihrem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten des gemeinsamen Unternehmens hafteten. Im selben Jahr wurden in den Nachbarortschaften Pünderich und Neef ebenfalls Spar- und Darlehnskassenvereine gegründet, die 1977 (Pünderich) und 1980 (Neef) übernommen wurden.
Es ist eine bekannte Realität, dass die Entwicklung eines Unternehmens von der glücklichen Wahl der Personen abhängig ist, die hier zu führen und zu leiten haben.
So gehörten dem 1. Vorstand Peter Albert Gippert, Josef Bremm, Josef Hermann Kroth, Wilhelm Martin Stölben und Josef Back I. an, während der Aufsichtsrat sich auf Pfarrer Heinrich-Josef Paelzer, Benedikt Fischer und Franz Kroth zusammensetzte. Rendant (Geschäftsführer) war Lehrer Staudt, der die Bankgeschäfte in seinem Wohnzimmer - überwiegend sonntags nach dem Hochamt - führte.
Die Beschaffung von landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln - hier insbesondere Düngemitteln - und deren Finanzierung bis zur Ernte, war sicherlich eine der ersten Aufgaben der neugegründeten Genossenschaft. Nach den Protokollunterlagen fanden jeweils im 2-3 Monatsabstand Generalversammlungen aller Mitglieder statt, die über die Warenbezüge - damals ausschließlich für Mitglieder - berieten. Mitglieder, die von der Genossenschaft empfangene Waren an Nichtmitglieder abgaben, wurden verwarnt und notfalls aus der Genossenschaft ausgeschlossen. Aber auch die Geldseite stand zunehmend im geschäftlichen Tätigkeitsbereich der Genossenschaft.
Nachfolgend sind eine Auswahl bemerkenswerter Daten und Fakten aus den vergangenen 100 Jahren chronologisch dargestellt:
1895 |
Gründung der Genossenschaft, Büro im Wohnzimmer des Rechners Staudt. |
1896 |
In der Generalversammlung wird auf strenge Einhaltung der Satzungsbestimmungen hingewiesen. Bei Abgabe von bezogenem Thomasmehl an ein Nichtmitglied muss mit einem Ausschluss aus der Genossenschaft gerechnet werden. |
1896 |
Die Generalversammlung beschließt die Einrichtung einer Pfennigsparkasse (Möglichkeit für Kinder und Minderbemittelte, um auch sparen zu können). |
1897 |
Die jährliche Aufwandsentschädigung für den Rechner wird für das Jahr 1896 (rückwirkend) auf insgesamt 290,- Mark festgesetzt. |
1897 |
Anschaffung eines eisernen, feuerfesten Geldschrankes. |
1900 |
Anschaffung einer Weinbergsspritze zur gemeinschaftlichen Benutzung. |
1900 |
Einführung des Immobiliengeschäftes und Übernahme von Versteigerungsprotokollen. |
1903 |
Einrichtung einer Sterbekasse für die Mitglieder. |
1906 |
Satzungsänderung, damit Rechner Staudt auch gleichzeitig Vereinsvorsteher werden kann. |
1908 |
Einführung des Scheckverkehrs. |
1910 |
Einführung des Dienstleistungsbereiches "Vermittlung von Versicherungen". |
1919 |
Anschluss an das öffentliche Fernsprechnetz |
1934 |
Der bisherige Rechner Lehrer Staudt tritt ab. An seine Stelle wird Alois Gippert als Nachfolger eingeführt. Büro jetzt im Hause Gippert. |
1938 |
Übernahme der in der Liquidation stehenden Volksbank Briedel. |
1939 |
Kauf der "Schule Scheuer" zum Preis von 4.125,- Mark als Warenlager (Verkauf 1977) |
1940 |
Anschaffung eines 25 PS Lanz Bulldogs und Übernahme von Fuhrdiensten für die Mitglieder.
Erstellung der Gemeinschaftsspritzanlage am Moselufer. |
1941 |
Änderung der Firmenbezeichnung in Raiffeisenverein Briedel eGmuH. |
1942 |
Nachdem der Lanz Bulldog für militärische Zwecke requiriert wurde, wurde ein Pferdefuhrwerk angeschafft. |
1946 | Der Raiffeisenverein veranstaltet eine Haussammlung für gebrauchte Haus- und Ackergeräte zur Unterstützung der durch den Krieg "beschädigten Ortschaften" an der Westgrenze. |
1948 |
Umstellung der Bilanz im Zuge der Währungsreform.
Bilanzsumme in Reichsmark: Bilanzsumme in DM: |
1949 |
Verlegung des Büros ins Haus Fischer (Mieträume Hauptstraße 89) |
1951 |
Gründung der Pfropfreben IG. |
1954 |
Fertigstellung des Lagerneubaus in der Bergstraße. |
1955 |
Anschaffung eines Kompressors.
Einstellung des eigenen Fuhrbetriebes wegen mangelnder Rentabilität. Übernahme der Saatgutreinigungsanlage von der Gemeinde. Umstellung der Buchführung auf eine rechnende Maschine. Ausgewiesener Reingewinn in der Bilanz 1954: 580.78 DM. Bilanzsumme: 1,08 Mio DM. |
1957 |
Eingliederung der Pfropfreben IG in die Genossenschaft. |
1960 |
Kauf des Wohnhauses Kroth, Umbau desselben in das heutige Bankgebäude mit 2 Wohnungen, Fertigstellung 1961. |
1961 |
Geschäftsführer Alois Gippert wird in den Vorstand gewählt.
Änderung der Firmenbezeichnung in Raiffeisenbank Briedel eGmbH. (Beschränkung der Haftung der Mitglieder auf 1.000,- DM je Anteil). Die Generalversammlung beschließt, den Geschäftsbereich auszudehnen auf Briedel und Umgebung. |
1963 |
Die Stilllegung der Moselbahn führt zu höheren Anfuhrkosten für Brikett und Düngemittel. |
1966 |
Eine moderne Alarmanlage wird angeschafft. |
1967 |
Freigabe der Habenzinsen durch die Landeszentralbank. Jetzt dürfen die Banken ihre Zinssätze ohne staatliche Reglementierung selbst festsetzen. |
1968 |
Anschluss an das Raiffeisen-Rechenzentrum und damit Abwicklung der Buchführung mittels EDV.
Anschaffung einer Umkrautbekämpfungsspritze zur gemeinsamen Nutzung. |
1969 |
Schließung der gemeinsamen Spritzbrühbereitungsanlage wegen Bau der Umgehungsstraße. |
1970 |
Der Angestellte Ewald Goldschmidt wird in den Vorstand gewählt, somit 2 hauptamtliche Vorstandsmitglieder, wie vom Kreditwesengesetz nun gefordert.
Einrichtung einer Dieseltankstelle. Aufgabe (Privatisierung) der Rebenveredlungsabteilung. Ausgabe von Euroscheckkarten. |
1972 |
Verkauf der Schrotmühle und der Saatgutreinigungsanlage.
Einführung der Hubschrauberspritzung der Weinberge. |
1973 |
Kauf der alten "Zigarrenfabrik". |
1974 |
Die vorgesehene Fusion und Übernahme der Raiffeisenkassen Kaimt, Bullay und Merl wird mit großer Mehrheit abgelehnt. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied Gippert scheidet nach 40-jähriger Geschäftsführertätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aus den Diensten der Bank aus. |
1975 |
Das geschäftsführende Vorstandsmitglied Ewald Goldschmidt erleidet einen tödlichen Autounfall auf einer Dienstfahrt.
Der Verbandsprüfer Karheinz Franzen wird durch Beschluss des Aufsichtsrates zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied bestellt. Abbruch der "Zigarrenfabrik" und Herrichtung eines Kundenparkplatzes. |
1976 |
Außerordentliche Generalversammlung. Mit großer Mehrheit wird die Raiffeisenkasse Pünderich im Wege der Fusion übernommen. |
1977 |
Der Bankangestellte Hermann Thur wird durch Beschluss des Aufsichtsrates zum hauptamtlichen Vorstandsmitglied bestellt. |
1978 |
Verkauf des alten Büro- und Lagergebäudes der Zweigstelle Pünderich an die Gemeinde Pünderich und Bau einer neuen Zweigstelle. |
1979 |
Kauf des Nachbarhauses Hömke für die Erweiterung des Bankgebäudes.
Kauf des Nachbaranwesens Schönenberg für die Lagererweiterung in der Bergstraße. |
1980 |
Einstimmiger Beschluss der Generalversammlung, die Raiffeisenkasse Neef im Wege der Fusion zu übernehmen. |
1981 |
Fertigstellung der Erweiterung des Bankgebäudes, Neugestaltung der Schalterhalle.
An das Lagergebäude in der Bergstraße wird eine Lagerhalle angebaut und mit dem bisherigen Lager verbunden. Anschaffung eines Gabelstaplers. |
1982 |
Einbruch in die Geschäftsstelle Pünderich, keine Beute. |
1983 |
Pläne für die Errichtung einer Zweigstelle in Zell-Barl gescheitert. |
1984 |
Gründung der Rebschutz GmbH und Übertragung der Hubschrauberspritzung auf dieselbe. |
1987 |
Prokurist Peter-Josef Götten wird zum geschäftsführenden Vorstandsmitglied bestellt.
Der langjährige ehrenamtliche Vorsitzende des Vorstandes, Egon Walter, scheidet wegen Erreichen der Altersgrenze aus und wird zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Umbau des Bankgebäudes, Ausbau des Dachgeschosses und Errichtung eines neuen Treppenaufgangs ins Obergeschoss. Umbau und Renovierung des Zweigstellenbüros in Neef. Umstellung der EDV-Buchführung auf Online-Betrieb und damit ständiger Dialogverbund zum Rechenzentrum. Die ersten PCs im Einsatz. |
1989 |
Aufstellung eines SB-Kontoauszugsdruckers. |
1992 |
Aufstellung eines Geldausgabeautomaten.
Neueinrichtung der Zweigstelle in Pünderich. |
1993 |
BTX-Konto und automatischer Zahlungsverkehr direkt vom Kunden zum Empfänger. |
1995 |
Anstelle einer großen 100-Jahr-Feier spendet die Bank einen Betrag von 50.000 DM für die durch das große Moselhochwasser geschädigten Mitglieder und Kunden. |
1997 |
Neben dem Zahlungsverkehr jetzt auch Wertpapiergeschäfte online von zuhause aus möglich. |
1999 |
Überwältigende Mehrheit der Mitglieder für die Übernahme der Raiffeisenbank Zell im Wege der Fusion. Damit ist die Ablehnung aus 1974 endgültig passe.
Die RB Zell war durch Fusionen der Raiffeisenkassen Kaimt, Bullay, St.Aldegund, Alf, Bremm, Altlay und Merl entstanden. Neuer Name: Raiffeisenbank Zeller Land eG, Sitz bleibt Briedel als der am weitaus stärksten Geschäftsstelle. Die Vorstände der Rb Zell, Kurt Görgen und Walter Hoff, werden in den Vorstand der vereinigten Raiffeisenbank berufen. Kurt Görgen scheidet aus Altersgründen aus dem Vorstand aus. Installation eines Beirates um den Kontaktfluss in die einzelnen Orte des Geschäftsgebietes sicherzustellen. Erneuerung der EDV-Ausstattung im Zuge der Jahr-2000-Problematik für fast eine Million DM. |
2000 |
Übernahme der Raiffeisenbank Blankenrath durch Fusion nach höchster Mitgliederzustimmung.
Die RB Blankenrath war durch Fusionen der Raiffeisenkassen Blankenrath, Strimmig, Liesenich, Grenderich, Tellig, Peterswald-Löffelscheid und Mastershausen entstanden. Damit ist die gesamte politische Verbandsgemeinde Zell sowie die angrenzenden Orte Bremm aus der VG Cochem und Mastershausen aus der VG Kastellaun unser abgerundetetes Geschäftsgebiet. |
2001 |
Ausgliederung des Warengeschäfts des Moselbereichs auf die RWZ Bullay |
2002 |
Ausgliederung des Warengeschäfts des Hunsrückbereichs auf die RBAG Kirchberg |
2003 |
die vorgesehene Fusion mit der Raiffeisenbank Bernkastel-Wittlich zur Raiffeisenbank Mittelmosel findet in der a.o. Generalversammlung nicht die erforderliche 3/4-Mehrheit.
Sehr tief unter die Gürtellinie gehende Vorwürfe und extreme (unberechtigte) Widerstandstätigkeit einiger Mitglieder hatten zu einer enorm turbulenten Versammlung geführt, über die sowohl im Vorfeld auch auch im Nachhinein sogar in mehrere überregionalen Blättern und im Radio berichtet wurde. Die Geschäftsstellen in Pünderich, Neef, St. Aldegund, Alf, Merl, Strimmig, Liesenich, Peterswald und Tellig werden aus Rationaliserungsgründen geschlossen. Karlheinz Franzen scheidet aus Altersgründen aus dem Vorstand aus. |
2004 |
auch im 2. Anlauf scheitert die Fusion mit Wittlich an der 3/4-Mehrheit. (nur 58,4 % Ja-Stimmen.) Auch hier war wieder eine extreme Tätigkeit von Fusionsgegnern zu vermerken. insgesamt nahmen 1.178 Mitglieder mit zusammen 2.511 Stimmrechten an der Fusion teil. Dieses dürfte eine der teilnehmerstärksten Generalversammlungen einer deutschen Genossenschaft gewesen sein.
Hermann Thur scheidet aus Altersgründen aus dem Vorstand aus. |
2005 |
Das nur noch als Vermittlungsgeschäft betriebene Immobiliengeschäft wird n Zusammenarbeit mit der Raiffeisenbank Bernkastel-Wittlich wieder in eigener Regie betrieben.
Der Misstrauensantrag der Fusionsgegner gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Matthias Müller wird nach sehr vielen Diskussionsbeiträgen in der Generalversammlung mit hoher Mehrheit abgelehnt und Herr Müller in seinem Amt bestätigt. Bewaffneter Überfall auf die Zweigstelle Bullay, keine Beute. |
Die Geschäftsführer | |
1895-1934 | Lehrer Johann Staudt |
1934-1974 | Alois Gippert |
1970-1975 | Ewald Goldschmidt |
1975-2003 | Karlheinz Franzen |
1977-2004 | Hermann Thur |
1987 |
Peter Josef Götten |
1999-1999 | Kurt Görgen |
1999 |
Walter Hoff |
Die Vorstandsvorsitzenden | |
1895-1906 | Peter Albert Gippert |
1906-1929 | Lehrer Staudt |
1929-1938 | Aloys Heinen |
1938-1946 | Peter Goeres |
1946-1970 | Franz Josef Reis |
1970-1987 | Egon Walter, (danach Ehrenvorsitzender bis 2004) |
Die Aufsichtsratsvorsitzenden | |
1895-1906 | Heinrich Josef Paeltzer, Pfarrer |
1906-1931 | Peter Albert Gippert |
1928-1939 | Bernhard Holtkamp, Pfarrer |
1939-1946 | Johann Rees-Bremm |
1946-1948 | Johann Josef Feit |
1948-1964 | Franz Gibbert |
1964-1975 | Johann Schell |
1975-1989 | Alfred Schäfer |
1989-1999 | Hermann Lütz aus Pünderich |
1999 |
Matthias Müller, Rechtsanwalt aus Bullay |