Die Gefallenenkapelle
- Marienkapelle - in St. Martin Briedel
Hermann Thur
Schon kurz nach dem Ende des schrecklichen zweiten Weltkrieges war wiederum der Wunsch nach einer würdigen Gedenkstätte für die vielen gefallenen Söhne der Gemeinde Briedel aufgekommen. Überlebende und Angehörige der Opfer diskutierten über verschiedene Möglichkeiten.
Der zunächst favorisierte Neubau einer Kapelle im Oberdorf wurde jedoch bald verworfen. Es konnte kein allseits akzeptierter Standort gefunden werden und für die hohen zu erwartenden Baukosten war kein Geld in der Gemeindekasse. So suchte man zusammen mit der Pfarrgemeinde nach einer Lösung im Bereich der Kirche. Hier war schon für die 79 Gefallenen des ersten Weltkrieges im Jahre 1921 ein Sandsteinrelief mit allen eingemeißelten Namen errichtet worden. Die Zivilgemeinde trug die Hauptlast der Kosten und musste dafür im Wald einen Sonderhieb vornehmen.
Bald war die Idee, eine kleine Kapelle als Anbau an die Kirche mit Zugang von Innen zu errichten, mehrheitlich angenommen und es ging los. Im Dezember 1946 jedoch wurden die Baurarbeiten eingestellt, da keine Baugenehmigung vorlag. Der Pastor schrieb dazu in die Pfarrchronik: "Der Bauantrag wurde nicht eingereicht, weil die Militärregierung es sowieso abgelehnt hätte und weil man das Material ja schwarz beschaffen musste". Mitte 1947 hatten die bischöfliche Behörde und das Denkmalamt keine Einwände und so wurde der Bau fortgesetzt. Zunächst wurden die Mauern von außen aufgebaut und das Dach angebracht, erst danach kam der Durchbruch ins Kirchenschiff dran. Der benötigte Zement und die bunten Fenster (eingebaut im Febr. 1948) wurden von Bürgern gestiftet bzw. mit gespendetem Wein „gehamstert". Bei den Überlegungen zur Ausstattung kam schnell die Pieta (schmerzhafte Muttergottes) aus dem Sündhaus ins Gespräch. Diese war kürzlich restauriert worden und ihr dabei erkannter hoher Wert verhinderte ein Wiederaufstellen in der Höhenkapelle. Ein Verbringen in die neue Gefallenen-Gedenkkapelle schlug so zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits war damit ein zum Anlass passendes Symbol vorhanden, andererseits war sie hier vor Diebstahl geschützt.
Die Namen der 87 gefallenen Briedeler Männer wurden mit Geburts- und Todestag auf kleine dunkle Holztäfelchen geschrieben und - mit einem Rahmen versehen - aufgehangen. Die Briedeler, die auch schon im ersten Weltkrieg Angehörige verloren hatten, wünschten eine gemeinsame Gedenkstätte für alle. Diesem Begehren wurde gerne entsprochen und auch die Namen der Opfer des ersten Krieges wurden passend auf Täfelchen geschrieben und an der anderen Wand der Kapelle angebracht. Alle waren sich einig, dass die dunklen Platten nur eine schnelle Übergangslösung sein sollten und, sobald genug Geld vorhanden war, eine markantere Namenstafel erstellt werden sollte. In dieser frühen Nachkriegszeit hofften viele noch auf die Rückkehr der 31 noch vermissten jungen Männer. Solange Hoffnung bestand wollte niemand deren Namen zu den Gefallenen schreiben, das sollte dann der vorgesehenen Umgestaltung vorbehalten bleiben. 1949 wurde bei einer Überprüfung durch die bischöfliche Denkmalbehörde die Gestaltung der Kapelle als gelungen beurteilt. Die dunklen Holztäfelchen sollten jedoch baldmöglichst ersetzt und wirkungsvoller angebracht werden, war ihre Empfehlung.
Lange Jahre erzählte man sich, dass die Zahl der Toten des 1. Weltkrieges der Zahl der Stufen der Kirchentreppe von der Sünd aus (76) und die des 2. Weltkrieges der Stufenanzahl von der Kehr aus (82) entsprechen würde. Durch die vielen zunächst nur als vermisst erfassten sind diese Zahlen jedoch deutlich überschritten worden. (= 79 und 118). Auf jeder Treppenstufe der Kirchtreppe von der Kehr aus und weiter auf jeder Stufe des Friedhofs bis zum oberen Feld könnte ein Briedeler Kriegsopfer stehen.
Die wirtschaftliche Situation mit der Inflation etc. verzögerten die endgültige Gestaltung der Namenstafeln immer wieder, so wurden die vorhandenen Holzbrettchen irgendwann als endgültig angesehen. Das Sandsteinrelief des ersten Weltkrieges war zwischenzeitlich einmal abgebaut und dann nach vielen Jahren im Zuge der Kirchenrenovierung zunächst im Turm, dann im Hauptschiff unter der Empore wieder aufgestellt worden, sodass diese Namen doppelt genannt werden.
2010 wurde beim Gedenken an das Kriegsende vor 65 Jahren die Erinnerung an die Opfer geweckt und zwei Bildbände mit den Fotos und Totenzetteln aller Gefallenen, auch derjenigen der seinerzeit vermissten Opfer, herausgegeben. Dies bestärkte den Wunsch, die Kapelle gründlich zu renovieren und die vor vielen Jahren armutsbedingt zurückgestellte Gestaltung der Namenstafeln sowie die unbedingt notwendige Ergänzung um die fehlenden 31 Namensschilder nun endlich in Angriff zu nehmen.
Der Förderverein St. Martin nahm sich des Anliegens an. Die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen zeigten sich aber als wesentlich aufwändiger, als zunächst vermutet. So muss auch die über 650 Jahre alte Pieta fachmännisch restauriert werden. Viele Pfarrkinder und Institutionen helfen mit ihrer Spende, unseren Gefallenen ein würdiges Dankmal zu erhalten und das vor über 70 Jahren gegebene Versprechen endlich einzulösen.
Ganz herzlichen Dank sagt der Förderverein St. Martin allen, die durch Geldspenden und der bereitgestellten Arbeitskraft bisher mitgeholfen haben und künftig noch mithelfen wollen.