Die preußische Zeit in Briedel
Schwerpunkt: die Moselweinkrise ca 1830-1850
Hermann Thur, (c) 2012
Briedel war als kurtrierisches Gebiet schon vor der Franzosenzeit (1794 - 1814) in einem „größeren" Staatengebilde eingebunden. Im Gegensatz dazu bekamen die rund 100 kleineren Herrschaften links des Rheines erst durch die Besatzung und Eingliederung in den französischen Staat in den Genuss eines einheitlichen Rechts- und Steuersystems. Auch die vielen unterschiedlichen Maße und Gewichte sowie die Währung wurden für diese erstmals vereinheitlicht und ermöglichten so ein Aufblühen von Handel und Gewerbe, weil die vielen unterschiedlichen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchleitungszölle durch die vielen Kleinststaatengrenzen entfielen.
So kurz die französische Zeit auch war, so sehr hat sie doch die Lage im Weinbau verändert. Entfeudalisierung, Säkularisation und eine günstige Konjunktur verbesserten ohne Zweifel die Lage der meisten Winzer. Der gewachsene Wohlstand hatte jedoch manche Ähnlichkeit mit einer Scheinblüte, denn neben dem Zinsendienst für für die aufgenommenen Kapitalien lastete eine hohe Grundsteuer auf den Weinbergen und die Preisentwicklung war nicht allein von natürlichen Einflüssen, sondern auch von administrativen Maßnahmen abhängig. Die Moselwinzer sollten dies in der einen wie in der anderen Weise nur zu bald erfahren.
(Quelle: Annette Winter-Tarweinen, Weinbaukrise und preußischer Staat)
Im Wiener Kongress wurden die linksrheinischen, bis dato „französischen Gebiete" Preußen zugeschlagen. Der Versuch Österreichs und Bayerns, mit der Rücknahme der Pfalz ab dem 30.4.1814 auch Teile der ehemaligen Erzbistümer Mainz und Trier bis an die Mosel zu annektieren, schlugen damit fehl und Briedel war ab dem 5.4.1815 preußisch.
Die extremen Unterschiede in Kultur, Wirtschaft, Religion, politischer Entwicklung, aber besonders im Rechts- und Steuerwesen zwischen den westlichen Landesteilen gegenüber den alten östlichen Teilen des nun viel größeren Preußens machte es den neuen Herren nicht leicht, die Bevölkerung zu überzeugen.
Wenn die Rheinlande nun auch sozusagen das einzige Weinbaugebiet Preußens waren, so war es doch nicht so einfach möglich, die östlichen Landesteile als Absatzgebiet für die Moselweine zu erschließen, um damit einen Ersatz für die weggefallenen westlichen Länder Frankreich und Niederlande zu bekommen. In den zwischen den beiden Landesteilen liegenden anderen "ausländischen" Gebieten (z.B. Hannover, Kurhessen etc.) waren hohe Durchleitungszölle fällig und auch die fehlende Infrastruktur (Straßen, Eisenbahn, Schiff) behinderte und verteuerte den Weintransport von West nach Ost massiv.
Die rheinländischen Weine wurden, wie auch die französischen und ungarischen Weine, im alten Preußen als ausländische Erzeugnisse angesehen und entsprechend mit einer hohen Weinsteuer als Luxusgut besteuert. Erst 1818 fielen die Zollgrenzen innerhalb Preußens und die Moselweine fanden ein aufnahmefähiges Absatzgebiet. Eine weiterhin hohe Abgabe für einheimische Weine und die extreme Erhöhung der Einfuhrzölle für ausländische Weine diente nicht, wie vielfach angenommen, der Förderung des rheinischen Weinbaus, sondern war ausschließlich zur Erhöhung der Staatseinnahmen vorgesehen, wenngleich sich der Belastungsunterschied beim Absatz bemerkbar machte. Fast ein Viertel der preußischen Einnahmen aus Verbrauchssteuern kamen 1819 aus Wein- und Alkoholsteuern. Für viele Jahre jedoch haftete dem rheinländischen Wein noch ein Makel an, sodass trotz der höheren Zölle und Verbrauchssteuern der Anteil französischer Weine in Preußen auf einem hohen Level verblieb.
Einen besseren Absatzmarkt boten sich daher in England, Holland und Belgien sowie in dem auch preußisch gewordenen Westfalen. Das niederländische Zollgesetz von 1826 verteuerte später jedoch die Durchleitung von Weinen nach England und für den Seeweg zu den ostdeutschen Häfen beträchtlich.
Exzellente Jahrgänge um 1820 bescherten den Winzern ungewohnt hohe Weinpreise. Dieses spornte die Investitionsfähigkeit an und die Weinbauflächen wurden teilweise stark ausgedehnt und die Weinbauern stockten, finanziert durch günstige Kredite, ihre Betriebe auf.
Der preußische Staat stand durch die Niederlage gegen Napoleon und durch die enormen Kosten der Befreiungskriege praktisch vor dem Bankrott. Dazu kamen die Schwierigkeiten, die gänzlich verschiedenen Steuersysteme und Kulturen der beiden Landesteile zu vereinheitlichen. Und eine Anpassung geschieht - wie auch heute noch - am einfachsten, wenn man die niedrigen Sätze aus beiden Regionen den jeweils höheren angleicht.
Zum Zwecke der Grundsteuerberechnung wurden 1820 in einem Hauruckverfahren - berechnet auf den hohen Weinpreisen der guten Jahrgänge 1818 und 1819 - die Weinberge in 6 Klassen eingeteilt, wobei oftmals ganze Gemarkungen einheitlich eingestuft wurden. Das Grundsteueraufkommen verdoppelte sich dadurch nahezu.
Eine Einkommensteuer im heutigen Sinn gab es noch nicht und so wurde mit Einführung der Klassensteuer sozusagen eine Pauschal-Einkommensteuer neben die bestehen bleibenden flächengebundenen Abgaben eingeführt.
Einige Mitglieder der preußischen Steuerkommission hielten es damals für eine unüberwindliche Schwierigkeit, das wahre Einkommen der Bürger zu ermitteln; dies könne man nur durch ein gehässiges Vorgehen, d.h. ein zu tiefes Eindringen des Staates in die Verhältnisse des Bürgers, in Erfahrung bringen.
(Quelle: Denkschrift Hoffmanns, zit. In R.Grabower, S. 508ff.)
Mehrere schlechte Jahrgänge in Folge, starker Preisverfall, Wegbrechen von Absatzgebieten, und die neuen höheren Steuern führten letztendlich 1827/1828 zu einer ersten rheinischen Weinbaukrise. Verstärkt wurde diese dann durch den 1828 gegründeten Zollverein mit Hessen und 1829 mit Württemberg und Bayern, wodurch große süddeutsche Weinbaugebiete zusätzlich auf den preußischen Markt drängten. Aus den Unterlagen zu den Verhandlungen über die Gründung des Zollvereins geht eindeutig hervor, dass Preußen keinerlei Rücksicht auf den Moselweinbau nahm, obwohl man die entstehenden wirtschaftlichen Problemen erwartete. Die Schaffung besserer Chancen für die aufstrebende preußische Industrie überlagerte den gesamtwirtschaftlich minimalen Anteil des Weinbaus. Hier hatte auch der politische Wille der Machtausdehnung zu einem gesamtdeutschen Verbund ohne Österreich unter preußischer Führung absolut Vorrang. Zwar brachten die staatlichen Behörden vom Landrat über den Regierungspräsidenten bis zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz immer wieder die Not und die überbordende Besteuerung in Berlin vor, aber ein Anteil von 0,29 % an der Gesamtwirtschaftsleistung fand dort keinerlei Gehör. Im Gegensatz, immer wieder wurde versucht, das Weinsteueraufkommen durch Wechsel der Klassifizierungen und Erhöhung der Steuer- und Zollsätze weiter zu erhöhen.
Die schon von den Franzosen begonnene katastermäßige Erfassung aller Grundstücke wurde zum Zwecke der steuerlichen Bewertung 1832 mit Macht umgesetzt. Aus diesen Unterlagen haben wir heute noch einen recht guten Wissensstand über die seinerzeitigen Verhältnisse.
Der durchschnittliche Betrieb (Familienbetrieb) bewirtschaftete 1,5 bis 2 Morgen Weinberge. Dazu kamen bis zu 10 Morgen Wiesen und Ackerland zur Eigenversorgung.
Als Beispiel wird in einer Eingabe 1846 aufgeführt, dass ich eine 6-köpfige Familie von 5 Morgen Ackerland 3 Monate lang ernähren könne.
Als mittlere Winzerbetriebe (Weingüter) bezeichnete man Weingüter ab 5 Morgen. In anderen Listen wurden diese auch als = Notabeln, hochbesteuerte Winzer, bezeichnet. Ein weiteres Merkmal dieser Gruppe war, das sie Tagelöhner als Hilfskräfte beschäftigten.
Großbetriebe betrachtete man ab einer Weinbergsfläche von 50 Morgen. Betriebe dieser Größe waren sehr selten, sie waren meist aus spekulativem Ankauf der säkularisierten Klostergüter entstanden. Über sie wird geschrieben: „= sie bauten Mauern in die Weinberge, um den Bergen die geeignete Neigung zur Sonne zu geben und das Rückhalten der Feuchtigkeit und der Düngekräfte zu bewirken".
Die Qualität der Weine stieg mit der Betriebsgröße signifikant an, damit auch die Preise. Die größeren konnten selektiv die reifen Trauben lesen und konnten sich beim Verkauf zurückhalten, während die Kleinen aus arbeitswirtschaftlichen Zwängen recht früh alle Trauben am Stock lesen mussten. Eine hygienische Kelter- und Kellertechnik bedingte gleichfalls hohes Kapital und ausreichende Mengen an Lesegut. Auch mussten die Familienbetriebe recht bald ihren Wein an den Handel verkaufen, da die staatlichen Steuern früh fällig waren und ohne Rücksicht auf den Verkauf eingetrieben wurden. Die flächengebundene Besteuerung war vom wirklichen Ertrag losgelöst, wodurch schwache Erntejahre weiter über Gebühr belastet waren
1 Morgen (1/4 Hektar bzw. 2.500 qm) hatte etwa 2.500 - 3000 Weinstöcke. Darauf erntete der Moselwinzer im durchschnittlichen Jahr rund 9 1/3 Eimer (a 68,7 Liter), das entspricht ca 3/4 Fuder (zu ca 840 Liter) Wein.
Eine Familie konnte in normalen Jahren vom Ertrag von 1,5 Morgen Weinberg leben, wobei die Grundnahrungsmittel überwiegend auf dem eigenen Ackerland erzeugt wurden.
2 Morgen war auch etwa die Obergrenze, die eine Familie ohne Hilfskräfte (Tagelöhner) bebauen konnte.
Der Durchschnittserlös für ein Fuder Wein (einschließlich Fass) belief sich auf ca. 130 Tlr.
Im Spitzenjahr 1834 wurden bis zu 220 Tlr. gezahlt.
In den schlechten Jahren hingegen gab es nur 40-50 Tlr. und das noch bei fast der Hälfte der Menge. In der Folge wurden teils nur 18 Tlr. für ein Fuder Briedeler Wein bezahlt
Die Bebauungskosten werden je Morgen mit ca 26 Tlr. veranschlagt. Dazu kamen noch Steuern und Abgaben je Morgen von ca. 10 Tlr.
Zum Vergleich: Das Jahresgehalt einer Polizeidienerstelle belief sich auf 120 Tlr. Es entsprach damit ungefähr dem Einkommen einer Winzerfamilie in einem gut durchschnittlichen Jahr, ohne jedoch das Risiko des Einkommensausfalls in einem schlechten Jahr zu haben.
Man kalkulierte 1 gutes, 2 durchschnittliche und 2 schlechte Jahre pro Periode. Das bedeutete, das das eine gute Jahr Reserve für mindestens zwei schlechte Jahre einbringen musste.
Die Ackerflächen, insbesondere aber das von der Gemeinde verpachtete Schiffelland (Rottland) brachte die benötigten Grundnahrungsmittel ein. Der Lohn bzw. Erlös aus der Lohegewinnung bescherte vielen Familien die erforderlichen Barmittel, mit denen auch schwache Weinjahre überstanden werden konnten.
Die meisten Winzerbetriebe hatten eine Kuh und ein Schwein, wodurch der Milch, Fleisch- und Düngerbedarf gedeckt werden konnte.
Viele kleine Familien, ohne oder mit wenig Land, verdingten sich bei den größeren Betrieben als Tagelöhner. Oft ging der Vater in den Tagelohn arbeiten, während Frau und Kinder die eigenen Weinberge bebauten.
Die Großbetriebe wurden von der Weinkrise nur bedingt betroffen, die mittleren Güter waren in der Mehrzahl in der Lage, mehrere schlechte Jahre zu überstehen, während die Familienbetriebe extrem verarmten. Desweiteren fielen die Tagelöhner sozusagen ins Proletariat zurück, da ihre Arbeitgeber, die mittleren Betriebe, sie auch nicht mehr beschäftigen konnten. Da keine industriellen Arbeitsplätze in der Region vorhanden waren erreichte die Arbeitslosigkeit ungeahnte Höhen.
Nach den Steuerlisten waren ca 45 % der Familien Tagelöhner, 37 % waren Weinbau-Familienbetriebe, 4 % mittlere Weingüter und 14 % Handwerker.
(Detailliste noch erstellen)
Einige Versuche an der Mittelmosel, durch die Gründung von Winzergenossenschaften zumindest für die kleinen und Nebenerwerbswinzer eine solidere Basis zu schaffen, scheiterten. Erst um die folgende Jahrhundertwende hatten sich die Ansichten geändert und die Neugründen waren oft sehr erfolgreich.
Wie wir den Zeitungsanzeigen entnehmen, gab es nach 1830 jährlich eine stetig ansteigende Zahl von Zwangsversteigerungen. Zunächst von Wein, dann zunehmend von Weinbergen, Häusern, Vieh bis zum Hausrat. Oft wurde sogar das Ehebett für Steuerschulden gepfändet und versteigert.
Trotz der knappen finanziellen Lage war die Gemeinde Briedel 1832/34 in der Lage, für 5.625 Taler eine neue Schule zu bauen, da die alte (Alte Parf) weder räumlich noch bautechnisch die gewachsene Kinderschar aufnehmen konnte. Am Beispiel unseres Polizeidienergehaltes gerechnet, entspricht das heute etwa 2,5 Millionen Euro. Der in den Boomjahren in Angriff genommene Ausbau einer zentralen Wasserleitung anstelle der vielen Hausbrunnen (Pütz) und die Abwasserentsorgung wurden nach 1840 wieder nach angegangen, wobei die Arbeitsbeschaffung hier nun im Vordergrund stand.
1845/46 folgten dann noch Missernten bei Getreide und dem Hauptnahrungsmittel Kartoffeln. Die Gemeinde Briedel stellte den ärmeren Mitbürgern kostenlos Wiesenflächen in Ortsnähe zur Verfügung, die diese urbar machen und zum Anbau von Kartoffeln und Gemüse zur Abwendung des schlimmsten Hungers nutzen konnten.
Einige Gemeinden an der Mosel riefen den Notstand aus, da sie nicht mehr in der Lage waren, ihren Einwohnern ausreichende Lebensmittel bereitzustellen. Militärmagazine wurden geöffnet und die Lebensmittel verbilligt abgegeben. Viele Gemeinden verkauften Ihr Holz an die aufkommenden Hütten- und Industriebetriebe, um mit dem Geld Lebensmittel und Saatgut für Ihre Bürger zu kaufen. Eine Folge davon war, dass die bis dato übliche kostenlose oder preisgünstige Abgabe von Brenn- und Bauholz an die Bürger nicht mehr angeboten wurde und die Armen dann noch kalt saßen. Wie die Unterlagen der Amtsgerichte ausweisen, explodierte die Zahl der Bestrafungen wegen Holzfrevel geradezu.
Die Getreidepreise wurden durch Spekulanten weiter in die Höhe getrieben, was die Versorgung weiter erschwerte.
Hunger und schlechte Ernährung machten die Bevölkerung für Krankheiten anfällig. Es grassierte das „Nervenfieber", eine Krankheit, deren Ursache in Störung der Verdauung und Ernährung lag. Briedel wurde 1842 - 1844 von einer Tuberkuloseepedemie sowie einer Viehseuche heimgesucht, die viele Opfer forderten.
"Die Unverkäuflichkeit ihres Weines zwingt die Winzer, ihren Wein selbst zu trinken, um leere Fässer für die neue Ernte frei zu haben. Das führt zu einer starken Zunahme der Trunksucht mit allen negativen Folgen", schrieb der Bernkasteler Landrat 1837 in einer Bittschrift um staatliche Hilfe..
In der Trierer Zeitung wird von einem häufigen krätzartigen Hautausschlag berichtet, „den man dem übermäßigen Genuss des beinahe ganz werthlosen Weines zuschrieb".
(Treveris, 17.12.1836)
„Scharen von zerlumpten und ausgehungerten Menschen ziehen bettelnd durch den Bezirk", berichtete die Bernkasteler Zeitung.
Die Auswanderung nahm ab 1840 wieder rasant zu. Während in der ersten Welle um 1828 nur 3 Briedeler Familien mit 18 Personen ihre Heimat verließen, wanderten aus Briedel von 1845 bis 1855 sogar 36 Familien mit 180 Personen, überwiegend nach Brasilien, aus. Insgesamt verließen im 19. Jhdt. rund 600 Briedeler, das entsprach etwa einem Drittel der Bevölkerung, die hungernde und perspektivlose Heimat und hofften aus eine bessere Zukunft in der unbekannten Ferne. Berichte von Auswanderern zeigen uns heute noch eindrucksvoll, das die Auswanderung damals meistens aus blanker Not heraus angegangen wurde und Überfahrt und Leben dort kein Zuckerschlecken war.
Trotz der Armut nahm die Population der Bevölkerung auch aufgrund verbesserter Hygienebedingungen stark zu und schloss die Lücken die durch Auswanderung entstanden waren.
Apropos Zeitung: Es gab zwar einige landwirtschaftliche Fachzeitschriften, aber der Weinbauanteil darin war klein und die Informationen richteten sich noch an die großen Güter. Tageszeitungen waren für die normalen Winzerfamilien zu teuer. In den Wintermonaten abonnierten daher oft mehrere Familien zusammen eine Zeitung, die dann rundgereicht wurde. Fachschulen für Weinbau und regelmäßige Informationen gab es erst später in nennenswertem Umfang. 1872 wurde in Briedel, wie auch vielerorts an der Mosel, der Verein „Landwirtschaftliches Casino" gegründet. Seine Aufgabe bestand darin, die Mitglieder mit neuen und besseren Methode des Weinbaus sowie des Ackerbaus vertraut zu machen und den gemeinschaftlichen Einkauf von Bedarfsartikeln wie Dünger zu organisieren.
Bereits 1836 gab es gutgemeinte Vorschläge zum Anpflanzen von Maulbeerbäumen und der Seidenraupenzucht, um von der Monokultur Wein loszukommen. Trotz mannigfacher staatlicher Anregungen setzte sich dieser Erwerbszweig nicht durch. Vorschläge, qualitätsstärkere Rebsorten anzupflanzen und die Arbeiten im Wingert zu rationalisieren fanden demgegenüber großes Gehör. Die Umsetzung verzögerte sich aber mangels ausreichendem Kapital der Winzer, denn die komplette Neupflanzung einer Parzelle mit dem damit verbundenen Ernteausfall dreier Jahre konnten sich nur die Großen leisten.
Demokratische und freiheitliche Bestrebungen nahmen ab 1845 zu. Die Bevölkerung hatte ja in der französischen Zeit etwas an der Freiheit geschnuppert. Dem preußischen Staat gelang es jedoch, mit teils massiven Repressalien die vom Grunde her absolut obrigkeitshörige moselländische Bevölkerung von schwerwiegenden Revolutionen abzuhalten. Die Ausrufung des „Briedeler Kaiserreiches" 1845 war nicht von der Mehrheit getragen und endete bereits nach zwei Tagen. Die sogenannte März-Revolution 1848 ging von Trier "der politischen Wetterecke der Rheinprovinz" aus. Während man dort schon von Bürgerwehr und Bewaffnung sprach, fanden in den Winzerorten nur die gewaltlosen Aktionen wie Volksversammlungen regen Zuspruch. Großflächige Verweigerung der Steuerzahlungen und einzelne Angriffe auf Bürgermeister und Feldhüter sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
Die zentrale Staatsverwaltung und das an die Steuerzahlung gebundene Wahl- und Wählbarkeitsrecht schloss die große Mehrheit der Bevölkerung von den kommunalpolitischen Entscheidungen aus. Nur wer entsprechend vermögend war, konnte z.B. Schöffe (Gemeinderatsmitglied) werden. Dies waren die größeren Grundbesitzer, die dann verständlicherweise bei Ihren Entscheidungen, z.B. der Verteilung des Steuersolls auf die einzelnen Steuerklassen, ihren eigenen Vorteil bedachten.
Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stellte der preußische Staat ab 1839 Mittel zur Verfügung, die für Wege- und Straßenbau genutzt wurden. Auch die schon von den Franzosen geplante Verbesserung der Schiffbarkeit der Mosel wurde damit in Angriff genommen. 1839 begann ein planmäßiger Dampfschifffahrtsverkehr auf der Mosel, der jedoch durch Eisgang und Hoch- und Niedrigwasser oft behindert war. Erst der aus militärischen Gründen vorangetriebene Ausbau der Eisenbahnstrecke Koblenz - Trier (Kanonenbahn Berlin - Metz 1878) bot auch den Moselwinzern eine schnelle und preiswerte Transportmöglichkeit zu den Weintrinkern im Osten. Dadurch entfielen endlich die teils hohen Kostennachteile aus dem Transport gegenüber den ausländischen Mitbewerbern.
Verbesserte Infrastruktur und die Ausdehnung des Zollvereins auf die norddeutschen Länder ließ dann den Absatz wieder steigen und die Krise lief bis Mitte der 1850er Jahre aus.
Die Gallisierung (Zuckerung) der Weine in schlechten Jahren, zunächst von den größeren Betrieben gegen den Widerstand der Kleinen eingeführt, half mit, den Moselwein gegen die ausländische und süddeutsche Konkurrenz wettbewerbsfähig zu machen. Unterstützt wurde der Aufschwung auch durch eine Reihe sehr guter Weinernten. Der Wein konnte nun gegenüber dem billigeren, weil niedriger besteuerten, Bier wieder Teile der in den vorangegangenen Jahren verlorenen Marktanteile zurückerobern.
Obwohl es danach der moselländischen Bevölkerung überwiegend besser ging, wurde 1862 die Hundesteuer in Briedel eingeführt, deren Erlös ausschließlich für die Armenkasse der Gemeinde bestimmt war.
Im deutschen Krieg 1866 waren auch Briedeler eingezogen. Die Gemeinde zahlte jedem 2 Taler Unterstützung. Von Verlusten sind keine Aufzeichnungen erhalten.
Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 richtete die Gemeinde eine "Requestations-Commission" ein, um in Anbetracht des Krieges Lebensmittel, insbesondere Reis auf Gemeindekosten zu bevorraten. Eine Reihe von Kriegsteilnehmern wurde verwundet
Ein Gemeindestier musste im Dezember 1870 wegen Futtermangels abgeschafft werden, wurde kurz nach Kriegsende aber wieder angeschafft.
Die Gründung des deutschen Reiches und die Ausrufung des preußischen Königs zum deutschen Kaiser zeigten in Briedel keine über die allgemeine Wirtschaftsentwicklung hinausgehenden Entwicklungen. Der Gemeinderat Briedel beschließt am 11.6.1879: Für die Festlichkeiten anlässlich der goldenen Hochzeit des Kaiserpaares erhält jedes Schulkind 10 Pfennig. Um das Geld zu beschaffen, wird ein Eichenstamm verkauft. Lediglich der „Kulturkampf" der preußisch-deutschen Führung mit dem Vatikan bewirkte, dass die Pfarrstelle in Briedel von 1879 bis 1884 fünf Jahre lang unbesetzt bleiben musste. Die notwendigen kirchlichen Handlungen und Aufzeichnungen wurden im Pünderich vom dortigen Pastor wahrgenommen.
1883 kauft die Gemeinde wiederum einmal Saatkartoffeln, um sie den Bürgern als Ersatz für die schlechte Ernte zu überlassen. Einige Rottländereien werden gerodet, um dauerhaftes Ackerland bereitzustellen. Auch für die Schweine- und Ziegenzucht werden Waldgebiete als Futter- (Äsungs)-flächen bereitgestellt.
Der Weinbau wird um die Jahrhundertwende von vielen neuen Krankheiten und Schädlingen bedroht. Die Bekämpfung wird viele Jahre zentral von der Gemeinde durchgeführt. So erhalten die Schüler für das Einsammeln von Sauerwurm-Puppen 1 Pfennig pro Stück aus der Gemeindekasse.
Die 1841 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Bevölkerung begonnenen Wegebaumaßnahmen wurden, nachdem es der Gemeinde wieder besser ging, erst 1894 mit der Fertigstellunng der Fahrstraße (heute Kreisstraße) von Briedel zu den Acker- und Lohflächen auf der Briedeler Heck fortgeführt.
Die Informationen über die Weinkrise wurden überwiegend dem Werk von Annette Winter-Tarvainen: Weinbaukrise und preußischer Staat; Preußische Zoll- und Steuerpolitik in ihren Auswirkungen auf die soziale Situation der Moselwinzer im 19. Jahrhundert, erschienen in der Reihe Trierer historische Forschungen Band 18, 1992, entnommen.
Für die Briedeler Angaben wurden hauptsächlich die Gemeindechronik und die Gemeindeannalen sowie die Gemeinderatsprotokollbücher herangezogen.