Ereignisse im März 1945
Teil 1: Auszug aus der Schulchronik Briedel
(im Jahre 1946 nachträglich niedergeschrieben anhand der Aufzeichnungen von Pastor Hebler)
Teil 2: Supplement von Albert Diederich
Teil 3: Auszug aus dem Archiv der amerikanischen 89. Infanteriedivision
02.03.1945:
Amerikaner sind in Trier eingerückt. Kell, Hermeskeil und wer von den Amerikanern erreicht!
06.03.1945:
Die Eifelbefestigungen sind von den Amerikanern durchbrochen. Die Amerikaner sind auf dem Weg zum Rhein. Kein nennenswerter Widerstand mehr.
09.03.1945:
Gerüchte gehen um und bestätigen sich: Wittlich und Koblenz ist von den Amerikanern besetzt. Der Rhein bei Remagen überschritten. Dort fiel den Amerikanern bei raschem Vorstoß eine feste Rheinbrücke unversehrt in die Hand. Sie bilden in laufendem Nachschub einen Brückenkopf. Hier konzentriert sich noch einmal die Kraft des Widerstands. Harte Wochen, lange Kämpfe entbrennen, verwüsten eine blühende Landschaft. Mehr und mehr erweitern die Amerikaner Ihren Brückenkopf, der Widerstand erlahmt. Am 23.3.1945 erfolgt der entscheidende Durchbruch.
12.03.1945:
Inzwischen rückt der Krieg näher und näher an Briedel heran. Laufend sind deutsche Truppen auf dem Rückzug durchgekommen. Auch rückten die letzten Sprengkommandos an. Vor der Schule wird eine kleine Brücke der Moseltalbahn gesprengt. Ob das den Krieg noch wenden sollte? Zu vielem Sinnlosen ein Sinnloses mehr! Eine ganz schwere Ladung zerstört die Brücke und richtet in der Umgebung große Verheerungen an. Besonders die Schule leidet schwer unter der Gewalt der Sprengung. Türen, Fenster und Teile der Wände sind eingestürzt, das Dach ist beschädigt. Eine 15 Zentner schwere Eisenbahnschiene wird über das hohe Schulhaus hinweg geschleudert und zertrümmert das Dach des Hauses Binninger im Gestade. Am Gestade sieht es aus, als hätte ein Bombenangriff dort Verwüstungen angerichtet.
13.03.1945:
In der Nacht zum 13.3. ( Montag auf Dienstag) setzt Artilleriebeschuß auf Briedel ein. Die amerikanischen Batterien sollen auf dem Reiler Hals und auf Montroyal stehen. Die Beschießung dauert von 1.20 Uhr bis 5.30 Uhr. Es sind schlimme Stunden für das Dorf. Schwere Schäden entstehen besonders im Oberdorf.
Eine Reihe von Häusern wird ernstlich getroffen. Eine Frau (Frau Willi Stölben, Gertrud geb. Reis) kommt ums Leben. Sie will in dem Beschuß vom Haus in den Keller laufen, dabei trifft ein Splitter sie tödlich! - Angst und Schrecken sind ins Dorf gekehrt. Man lebt angstvoll vor dem kommenden Tag, vor der kommenden Nacht.
14.03.1945:
Um 2.30 Uhr setzt wieder Beschießung ein, heftiger noch als in der vergangenen Nacht. Die Einschläge liegen vor allem im Mitteldorf. Viele Häuser werden schwer getroffen. Bis zum Mittag dauert der Beschuss. Dann erst trauen sich die Leute aus den Kellern und Stollen. Schwere Schäden bieten sich Ihren Augen, 4 Tote werden geborgen: Frau Johanna Rees geb. Gibbert, eine über 70 Jahre alte Frau liegt unter den Trümmern Ihres Hauses begraben. Ein evakuierter Mann aus Trier ist durch Granatsplitter getötet; dazu haben zwei deutsche Soldaten den Tod gefunden.
Das Dorf Briedel ist ein Bild der Verwüstung: Trümmer, Dreck, Scherben, wirre Drähte ein Bild aus der Front! Auch die Kirche ist durch drei Granateinschläge beschädigt.
15.03.1945:
Dauerndes Artilleriefeuer, aber keine direkte Beschießung des Dorfes. Der Amerikaner schickt Nebelgranaten ins Moseltal. Nun wird bald das Ende kommen. Wie wird es sein?
16.03.1945:
Im alten Buch der Geschichte des Dorfes Briedel wird heute ein Blatt gewendet und ein neues geschrieben.
Morgens um 7 Uhr sind plötzlich die Amerikaner im Dorf. Unter heftigen Gewehrgeknatter nehmen sie den Ort ohne Widerstand. Die angstvollen Einwohner haben sich in Keller und Stollen geflüchtet. Nun müssen sie alle heraus. Alle Männer müssen mit erhobenen Händen zu einem Sammelplatz vor dem Dorf. Dabei sind sie gezwungen, deutschen Maschinengewehrfeuer zu durchlaufen. Zwei Männer werden verwundet: Wilhelm Jos. Goldschmidt, der in der folgenden Nacht starb und Heinz Schneiders.
Ehemalige Angehörige der deutschen Wehrmacht werden unter den versammelten Männern herausgesucht und in Gefangenschaft geführt. Für manchen wird es ein Weg in eine bittere, schwere Zeit. Die anderen Männer durften nachmittags in Ihre Häuser zurück.
Manche Familie muß plötzlich Ihr Haus verlassen, das von der amerikanischen Kampftruppe belegt wird. Die Leute sind streng an Ihre Wohnung gebunden. Nur morgens von 7 - 8 Uhr und nachmittags von 5 - 6 Uhr darf die Straße betreten werden.
17.03.1945:
Morgens setzt eine wilde Schießerei um die Kirche herum ein. Man vermutet im Kirchturm noch deutsche Soldaten! In der Kirche entstehen erhebliche Schäden. Auf und im Kirchturm wurde kein Soldat festgestellt.
Die Ausgangsbeschränkung ist sehr schwer für die Bevölkerung. In 2 knappen Stunden müssen sie all Ihre Besorgungen draußen erledigen. Die gesamte Nationalsozialistische Gesetzgebung wird durch Verfügung aufgehoben.
Photoapparate, Ferngläser und alle Waffen müssen abgeliefert werden. Das Artilleriefeuer ist nur mehr in der Ferne zu hören. Überfliegende Bombenverbände schrecken die Bevölkerung nicht mehr.
18.03.1945:
Sonntag - Passionssonntag, Ausgehzeh von 7 - 9 Uhr. Im Dorf herrschte Stille. Kaum traut sich jemand auf die Straße. Kein amerikanischer Soldat ist mehr im Dorf. Die Ausgangsbeschränkung bleibt bestehen. Erst am 24.03.1945 wird sie von morgens 7 bis 6 Uhr abends festgesetzt.
Die Bevölkerung findet sich allmählich mit den neu gegebenen Verhältnissen ab. Nach all den Schmerzen des Krieges ist dies nicht so schwer. Manches hat sich gewandelt. Was früher angebetet wurde, nun verbrannt. Die vorher groß waren sind nun ganz klein geworden. Manchen sind die Augen aufgegangen und es hat den wahren Wert dessen erkannt, dem er nachlief.
Noch ist der Nationalsozialismus an der Macht. Mit allen Mitteln suchen die Verantwortlichen den Krieg zu verlängern, um damit Ihre eigene Frist zu verlängern.
08.05.1945:
Der Krieg ist zu Ende. In raschem Vorstoß an allen Fronten haben die Vereinten Nationen den letzten deutschen Widerstand gebrochen. Die großen politischen Führer des deutschen Volkes sind verschwunden; Selbstmord, Flucht oder Verhaftung. Das Volk bleibt und trägt alles ! - Dies ist ein militärische und politische Niederlage, wie es wohl größer nie eine gab, umso bitterer, da uns der größte Sieg immer wieder in sichere Aussicht gestellt war:
Deutschland ist ohne zentrale Regierung, in 4 Besatzungszonen aufgeteilt, die von amerikanischen, englischen, russischen und französischen Truppen besetzt sind. Unsere Gegend gehört vorerst zur amerikanischen Besatzungszone. Die Emährungslage wird sehr schwierig. Die Besatzungszonen sind wirtschaftlich auf sich selbst gestellt. Kleinste Gebiete bilden Wirtschaftseinheiten. Der Ausgleich zwischen Über- und Unterschussgebieten fehlt. Die Ablieferungspflicht für Getreide, Kartoffel, Milch bleibt bestehen. Die abgelieferten Mengen sinken dauernd. Egoismus macht sich breit. Mangelware wird als begehrtes Tauschobjekt verwandt. Auf dem Geldmarkt herrschen Unsicherheit und wenig Vertrauen. Produktion und wirtschaftlicher Wetteifer fehlen.
Viele Evakuierte nehmen den Weg in Ihre Heimat zurück. Elendsbilder auf der Landstraße!
Die Jugend ist immer noch ohne Schule.
Postverkehr ist noch nicht wieder eröffnet.
In vielen Familien ist bange Sorge um abwesende Soldaten, Kriegsgefangene und andere Familienmitglieder.
Supplement zu den Ereignissen des Jahres 1945
Folgende Briedeler Zeitzeugen erzählten von diesen Ereignissen:
1. Maria Diederich
2. Albert Diederich Senior
3. Reis Edmund
4. Hubertus Kroth
5. Josef Bremm
6. Albert Diederich Junior, (der am 25.5.1945 als erster Brieleler aus amerikanischer Gefangenschaft nach Hause kam und diesen Bericht im Jahre 2001 aus der Erinnerung heraus verfaßte)
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Als die Amerikaner das Oberdorf herunter kamen, lief ein französischer Kriegsgefangener, der sich eine Kokarde angesteckt hatte, mit Freudenrufen auf sie zu. Nicht lange danach eilte er mit lautem Geschimpfe davon, weil ihm die Amerikaner kräftig in den Hintern getreten hatten.
Eine Jüdin, die lange von einer Briedeler Frau versteckt worden war, wurde durch den Einmarsch der Amerikaner befreit.
Die Briedeler Volkssturmkompanie unter dem Befehl des ehemaligen kaiserlichen Oberfeldwebels Arenhard, der Spieß Fischer und vier Zugführer traten nicht in Erscheinung.
Zwei SS-Männer, die im Hotel Göres übernachtet hatten und auf einem Motorrad flüchten wollten, wurden von den Amerikanern erschossen.
Die älteren Männer und die jungen Burschen wurden nach dem Brerdelbach gejagt. Dabei mußten sie durch das Maschinengewehrfeuer der zurückweichenden deutschen Soldaten laufen. Wilhelm Josef Goldschmidt wurde dabei so schwer verweundet, das er in der Nacht darauf starb. Auch Heinz Schneiders wurde schwer getroffen. Zwei weitere davon, Edmund Reis, der noch einen Arm im Gips hatte, und Karl Engel, mußten auf den Reiler Wald laufen, wo sie sich mit deutschen Kriegsgefangenen vor die Amerikaner als Kugelfang hinknien mußten.
Eine amerikanische Kompanie, welche die Bergstraße hochging und sich in den Fronwiesen entfaltete, geriet in das Feuer deutscher Soldaten, die aus dem Wald heraus schössen, so daß 22 amerikanische Soldaten ausfielen. Wutentbrannt kam die Kompanie wieder nach Briedel zurück und drohte, das Dorf anzuzünden. Wären nicht besonnene Männer unter ihnen gewesen, wäre Briedel in Flammen aufgegangen.
Die Bergkappelle, auch "Sündehäuschen" genannt, wurde durch die Ermordung eines deutschen Soldaten entweiht. Das Opfer, das man an den Beinen gefesselt vorfand, wurde auf dem Briedeler Friedhof bestattet.
Ein böses Spiel wurde mit drei jungen Briedeler Soldaten, welche aus dem Lazarett entlassen waren, getrieben; sie mußten sich aufstellen, so als ob man sie erschießen wollte. Beim Abschuß ihrer Gewehre rissen die Amerikaner sie nach oben und feuerten in die Ferne.
Weit schlimmer erging es vier deutschen Soldaten, die an dem Haus von Josef Brenan in Richtung Zell vorbeigefahren und kurze Zeit später tot zurückgebracht wurden.
Später gingen Amerikaner wie die Wilden mit dem Briedeler Gemeindearchiv um, das sie bei der Suche nach Naziunterlagen auf den Schulhof warfen.
Im August kamen die Franzosen, die uns von unserem Gemüse, Kartoffeln, Wein und unseren Kälbern befreiten. Etliche Männer, welche nichts verbrochen hatten, wurden in ihr Konzentrationslager nach Diez geschleppt, wo man sie halb verhungern ließ. Außerdem gab es unnötige Ausgangssperren.
Briedel, den 3.1.2001
(Albert Diederich)