Gefallen für Volk und Vaterland

- 500 Jahre Kriegsopfer aus Briedel -

ek1 1914

 

„Gefallen für Volk und Vaterland"
oder „Er starb den Heldentod fürs Vaterland".
So oder ähnlich wurde es in den beiden großen Weltkriegen auf die Totenzettel von rund zweihundert jungen Briedeler Männern geschrieben.
„Begeistert für die heilige Sache verließ er die Schule und trat in das Heer. Im Kampfe setzte er sein Herzblut ein für unseren und des Vaterlandes Schutz" schreiben die Eltern noch im April 1918 auf den Totenzettel ihres einzigen Sohnes.

Sie waren teils freudig ausgezogen um
Im 1. Weltkrieg dem Kaiser
und im 2. Weltkrieg dem Führer
zu dienen und verloren dabei ihr junges, hoffnungsvolles Leben. Besonders der Tod vieler junger Familienväter riss damit große schmerzhafte Lücken in die Familien Briedels. Die Kinder wuchsen ohne Vater auf und die jungen Mütter - sozusagen unfreiwillig zu Alleinerziehenden geworden - hatten alle Mühe, sich und die kleinen Kinder durchzubringen.

Vor nunmehr genau 100 Jahren wurde mit viel Hurra in den 1. Weltkrieg ausgezogen und die abrückenden Truppen wurden von der Bevölkerung begeistert verabschiedet. Die Soldaten wie die militärische und politische Führung waren der Meinung, Weihnachten sind wir wieder zuhause. Doch recht bald kamen die ersten Todesnachrichten in die Heimat und die Euphorie ließ schnell nach. Bis Kriegsende betrauerte Briedel 78 junge Männer, die ihr Leben lassen mussten.

„Im September 1914 wurde in unserer Gemeinde eine Jugendkompanie gebildet. Es traten alle Jünglinge vom 16. bis zum 20. Lebensjahre der Kompanie bei, welche aus 70 Mitgliedern bestand. Als Übungsplatz stellte die Gemeinde eine Wiese am Pündericher Wäldchen zur Verfügung, wo an den Sonntagnachmittagen die Kompanie einexerziert wurde". So berichtet der Chronist.
Begeisterte Berichte über Lebensmittel- und Kleiderspenden sowie Barspenden aus der Gemeindekasse an die Soldaten sind in der Chronik verzeichnet. Seitens der Gemeinde wurden die Soldaten in einer Kriegerversicherung versichert und wöchentlich wurden zwei Kriegsandachten gehalten, um Gottes Beistand für unsere gerechte Sache zu erhalten.

Die Gemeinde zahlte freiwillig eine Unterstützung von 12 Mark für jede Frau eines im Felde stehenden Kriegers und für jedes unversorgte Kind 6 Mark. Auch wurde 1915 eine Verwahrschule, heute Kindergarten, eingerichtet, damit sich die Frauen der eingezogenen Männer ungestört den landwirtschaftlichen Arbeiten widmen konnten.

In den späteren Jahren ist hingegen viel von „Maßnahmen zur Sicherung der Volksernährung" zu lesen.

Nur 160 Kilometer von uns entfernt fand im September 1870 in Sedan die entscheidende Schlacht dieses Krieges statt. Gerade dieses Kriegsereignis wurde später u.a. mit dem Lied „Fern bei Sedan" noch richtiggehend verklärt. Um Verdun, auch nur 160 Kilometer weit weg, fanden im 1. Weltkrieg jahrelange erbitterte Stellungskämpfe statt, die ein enormes Blutopfer forderten und die Region bis heute verwüsteten. Auch die sogenannte Ardennenoffensive, die letzte große Entscheidungsschlacht des 2. Weltkrieges, tobte direkt vor unserer Haustür.

Nach meiner Meinung müssten alle Schüler und Schülerinnen verpflichtend einen Klassenausflug nach Verdun machen. Nur vor Ort kann man das Entsetzliche etwas verstehen lernen und erkennen, dass wir weiter mit aller Macht für den Frieden eintreten müssen.

„Man empfindet es viel intensiver, wenn man die endlosen Friedhöfe und heute noch umgepflügten Landschaften sieht. Der 1. Weltkrieg eignet sich wie kein anderer Krieg dazu, die Sinnlosigkeit eines Krieges zu demonstrieren." So las ich kürzlich in einem Bericht der Rhein-Zeitung anlässlich des 100-jährigen Gedenkens an den Ausbruch des 1. Weltkrieges.

Trotz aller dieser Leiden feierten knapp 20 Jahre später die jungen Briedeler ihre Musterung - sozusagen der erste Schritt zum Soldatenschicksal - ganz zünftig mit Musik und Umzug. Wenn man die wenigen erhaltenen Fotos betrachtet, ist man richtiggehend erschüttert, wie viele von den dort fröhlich in die Kamera lächelnden Jungen nur wenige Jahre später tot waren und in fremder ferner Erde beerdigt wurden.

Dieser zweite Weltenbrand kostete 115 jungen hoffnungsvollen Briedeler Männern das Leben. 26 davon gelten noch heute als vermisst, d.h. Es ist immer noch nicht bekannt, wie und wo sie starben und beerdigt liegen. Viele Unterlagen darüber sind auch durch die Kriegswirren verloren gegangen und haben große Lücken hinterlassen. Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Institutionen ist auch heute noch täglich mit der Suche nach Vermissten und deren Schicksalen befasst. Leider, so muss man sagen, ist nach so langer Zeit die Chance auf Aufklärung recht gering. Die meisten betroffenen Soldaten wären heute auch allein aus ihrem hohen Alter heraus verstorben und auch Eltern und Ehepartner leben meist nicht mehr. Die Kinder, die ihre Väter nur wenig als Kleinkind oder überhaupt nicht kannten, haben den Wunsch nach Aufklärung oft aufgegeben.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der in der ganzen Welt die bekannten deutschen Kriegsgräberstätten betreut, bemüht sich, den Toten ein würdiges Andenken zu bewahren. Bei Durchforstungen von bisher unerforschten Grabfeldern und Umbettungen in gepflegte Kriegsgräberstätten wird versucht, ungeklärte Schicksale aufzuklären. In 2013 gelang das noch bei rund 30.000 Vermissten. Bisher sind in den Datenbanken des Volksbundes nur 56 - das ist etwa die Hälfte - der Briedeler erfasst und die Grabstätte identifiziert. Lange Zeit verhinderte der eiserne Vorhang den Besuch der Gräber. Aber auch nachdem die Möglichkeiten geschaffen waren, haben nur noch wenige Briedeler sich aufgerafft, die letzte Ruhestätte ihres Kindes, Ehemannes oder Vaters zu besuchen um seiner zu gedenken.

„Die Zeit heilt alle Wunden", ist ein hier zutreffendes Sprichwort.

Die dem Inferno des Krieges entronnenen Überlebenden - einige davon nach langer und qualvoller Gefangenschaft - hatten oft Mühe, sich wieder in das normale zivile Leben einzugliedern. Mit harter Arbeit und hohem Durchhaltewillen schafften Sie es zusammen mit den vielen jungen Kriegerwitwen, Briedel und die Region wieder aufzubauen. Wenn sie dann abends beim „Maien" zusammensaßen oder bei den Weinproben im Keller, wurde vielfach über die Erlebnisse als Soldat berichtet. Grauenvolle Ereignisse und der Tod der Kameraden kamen darin aber nur ganz wenig vor. Hingegen wurde über die frohen Stunden, die gute Kameradschaft und Weiteres oft in hohen Tönen geschwärmt. Wurde der Feldzug doch immer noch oft ähnlich einer Urlaubsreise aufgefasst. In den frühen Zeiten kamen die jungen Männer kaum aus dem Ort heraus und der Kriegszug brachte sie, wenn auch meistens zu Fuß, weit in ferne Länder.

Dieses Verhalten beruht teilweise noch auf den uralten Gebräuchen des Kriegsdienstes. Mir scheint, als ob es schon in den Genen der Menschen verankert sei.

Seit Bestehen der Menschheit gibt es Kampf und Krieg zwischen den Menschen - schon Kain erschlug seinen Bruder Abel - , zwischen einzelnen Gruppen oder Sippen, zwischen kleineren und größeren Herrschaftsbereichen und seit der Staatenbildung in der Neuzeit auch zwischen den Staaten und Staatenbünden. Daneben lodern in der ganzen Welt auch derzeit noch viele Machtkämpfe und Bürgerkriege, deren Leidtragende wie immer nur die Bevölkerung ist.

In den frühen Sippen war jeder wehrfähige Mann verpflichtet, an den Kämpfen der Gruppe teilzunehmen. Oft war der Eroberungsdrang die Hauptlebensgrundlage der Gemeinschaft. Kriegsbeute und Sklaven waren der Lohn für den Einsatz und der Verlust der Freiheit oder gar des Lebens war das Risiko.

Später ersetzten besonders die Römer die allgemeine Wehrpflicht mehr und mehr durch Söldnertruppen. Auch diese finanzierten sich generell durch Beutezüge o.ä.. In kampffreien Zeiten (Friedenszeiten) wurden die stehenden Truppen als Arbeiter in der Infrastruktur - Straßenbau etc. - eingesetzt, damit die Versorgungskosten sinnvoll aufgebracht werden konnten.

Auch das mittelalterliche Lehnswesen als rechts- und staatstragendes Element beruht im Grunde auf der Verpflichtung eines jeden freien Mannes, sich dem Aufruf des Herrschers zum Heerdienst zu stellen. Und diese Aufrufe gab es ständig. Wenn der König nicht gerade gegen Türken oder Franzosen sondern stattdessen mal wieder nach Italien zog, kloppten sich die kleinen regionalen Herren um Einfluss, wobei Erbstreitigkeiten i.d.R. der Auslöser waren.
Durch das alte germanische Erbrecht der Realteilung hatten alle männlichen Nachkommen gleichen Anspruch auf Besitz und Titel. Da aber nur einer herrschen konnte, musste er seine Mitbrüder loswerden. Wenn das nicht durch die Unterbringung in einem Kloster zustande gebracht werden konnte, kam es zum offenen Streit, wobei dann oft die Untergebenen mal für den einen, mal für den anderen ihren Kopf hinhalten mussten.

Interessant ist dabei, dass diese Kriege fast ausschließlich in den Sommermonaten stattfanden, da zu dieser Zeit die Versorgung der Truppen aus den eroberten Gebieten heraus am sichersten zu gewährleisten war. Zum Beginn der Ernte kam es zum Waffenstillstand und die Bauern konnten auf ihre Felder zurück. Denn nur eine gute Ernte brachte den Herrschaften auch Steuern und Abgaben ein, von denen sie letztendlich lebten und mit denen Sie ihre Zwistigkeiten finanzierten.
Die wachsenden Kosten für moderne Waffen (Pferde und Rüstungen) waren von vielen nicht mehr aufzubringen. Diese gingen dann sogenannte Lehensverhältnisse mit ihren Herrschaften ein, wodurch diese die Heerespflicht übernahmen und dafür von den Lehensnehmern unterhalten wurden. Das ist die Grundlage des mittelalterlichen Ritterwesens. Diese waren dann sozusagen ein stehendes Söldnerheer des Landesherren. Ohne den erbeuteten Reichtum und die Arbeitskraft von Gefangenen und Leibeigenen, auch als Sklaven zu bezeichnen, hätten die Burgen und Schlösser nicht gebaut werden können.

So mussten auch die Briedeler dem Kurfürsten von Trier in der Sickinger-Fehde um 1522 Soldaten zur Verfügung stellen. Jeder Ort hatte, gemessen an seiner Einwohnerzahl, eine bestimmte Anzahl an Soldaten abzustellen. So hatte das Amt Zell 310 Mann für Triers Verteidigung zu entsenden. Wieviele davon aus Briedel waren und ob Opfer zu beklagen waren, ist nicht überliefert.

In den Religionskriegen infolge der Reformation zieht 1587/88 das Regiment Bellemont mit 3.500 Mann entlang der Mosel und plündert auch Briedel.

Über die Jahrhunderte hinweg bestanden die Truppen aus Söldnern, wobei oftmals die Bewohner in die Truppe gepressst wurden. Von Freiwilligkeit konnte da keine Rede sein. Während des 30-jährigen Krieges, der unsere Region zu Anfang recht wenig, dafür gegen Ende um so stärker belastete, sind uns aus den Kirchenbüchern der Tod von 3 Briedelern verzeichnet. Während schon 1620 spanische Truppen den ganzen Winter über in Briedel Quartier bezogen hatten und sich von der Bevölkerung beköstigen ließen, waren es 1632 bis 1635 schwedische Soldaten, die plündernd und mordend auch durch Briedel zogen. Peter Diederich wird „von den Schweden jämmerlich erschlagen" und Peter Hoffmann stirbt durch eine Kanonenkugel. Wieviele insgesamt in den verschiedenen Truppen dienen mussten und dort ihr Leben ließen, ist nicht nachvollziehbar. In den Kirchenbüchern wurden nur die am Ort gestorbenen verzeichnet. Eine Rückmeldung an das Geburtspfarramt war nicht üblich. Überlieferte Berichte über diese Zeit zeigen auf, das sich viele Männer den Söldnertruppen anschlossen, weil diese Truppen, die sich ja durch Raub und Beschlagnahme versorgten, meist besser verpflegt wurden. Die Bauern auf ihren eigenen Feldern litten unter Verwüstung der Äcker und Raub, sodass sie oft hungerten. Die Gefahr im Kampf wurde nicht so risikoreich eingestuft, als der drohende Hungertod zuhause.

In den nachfolgenden Erbfolgekriegen, die das Leiden der Bevölkerung im linksrheinischen Gebiet noch um 20 Jahre verlängerten, sind uns zwei Tote vermerkt, wobei Friedrich Büsch bei der Plünderung der Briedeler Kirche von den Franzosen getötet wurde.

Die vielen Menschen, die an den von den durchziehenden und marodierenden Truppen eingeschleppten Seuchen, insbesondere der Pest, starben, gehören sicherlich auch zu den Kriegsopfern. 1636 vermerkte der Pfarrer in der Chronik „Die Pest raffte in den letzten Monaten ein Drittel der Bevölkerung hin". Die Einwohnerreduzierung war damit relativ noch größer als im 1. und 2. Weltkrieg zusammen. Darüber hinaus verursachten die Plünderungen, Kontributionszahlungen und Einquartierungskosten enorme wirtschaftliche Belastungen der Bevölkerung.

Kaum eine Generation später, in den ersten Türkenkriegen, wurde - so informiert uns ein Eintrag im Briedeler Kirchenbuch - Johann Adam Güllen von den Türken vor Wien jämmerlich erschlagen.

Unsere Chronik berichtet, dass ab 1693 in der Zeit der Besatzung durch die französischen Truppen von Ludwig XIV. mehrere junge Leute aus Briedel mit Gewalt von den Franzosen zum Kriegsdienst weggeführt wurden. Über deren Schicksal ist bisher nichts überliefert. Aus anderen Quellen ist aber bekannt, dass nur wenige der Zwangsrekrutierten später zurück in ihre Heimat kamen. Auch in dieser Phase sind hessische und hannoveranische Truppen bei uns über zwei Winter einquartiert, wobei die Gemeinde die Kosten zu tragen hatte. Solche Einquartierungen, über die uns die Chronik noch mehrfach informiert, beeinflussten das Leben im Ort stark, denn die Soldateska spielten sich wie die Herren auf und lebten auf Kosten der Einwohner. Die Frauen hatten besonders darunter zu leiden, wie uns die Einträge mehrerer illegitimer Geburten im Taufbuch aufzeigen.

Im Laufe des zweiten Türkenkrieges leistete die Gemeinde Briedel Anfang 1738 insgesamt sieben Zahlungen für Gefangene in der Türkei. Ob es sich hierbei um Lösegelder für Briedeler Männer handelte oder um pauschale Geldanforderungen des Kaisers, ist nicht verzeichnet.

Aber auch zu anderen Zeiten dienten Briedeler teils freiwillig in fremden Armeen. So wird über Martin Büsch berichtet, der als Chirurg (Feldarzt) in der k.u.k. Österreichischen Armee diente und in deren Kriegen von Truppen der Stadt Genua gefangen genommen wurde und erst nach zwei langen Jahren Ende 1749 wieder entlassen wurde.

Auch Johann Feet diente 1751 in der preußischen Armee, obwohl unsere Heimat zu der Zeit Teil des Kurfürstentums Trier war. Er starb, wie ein Vermerk im Kirchenbuch ausweist, am 4.5.1751 in Spandau.

Nach hundert Jahren eroberten die französischen Truppen, diesmal unter Napoleon, ein weiteres Mal die Rheinlande. Wiederum wurden viele junge Männer gezwungen, mit den Truppen nach Osten zu ziehen, wo Napoleon Russland überfallen hat. Über Anton Stülpen wissen wir, dass er beim Tod seiner Ehefrau als „z.Zt. Französischer Soldat" bezeichnet wird und an anderer Stelle ist vermerkt, dass er in Russland gefallen ist. Durchziehende Truppen während der folgenden Befreiungskriege beschlagnahmten Lebensmittel und Vieh, insbesondere die Pferde.

In den Kirchenbüchern wurden in dieser Zeit neugeborene Knaben oftmals mit der weiblichen Namensform eingetragen (z.B. Pauline für Paul), um den Franzosen das spätere Ausheben von Soldaten zu erschweren, denn diese hatten alle Taufbücher konfisziert und daraus die Musterungslisten erstellt.

Im Zuge der Staatenbildung des Deutschen Reiches - das mittelalterliche Reich war kein Staat im heutigen Sinne und bestand aus vielen überwiegend Eigeninteresse verfolgenden Einzelterritorien - kam es 1864/1866 zum Krieg der norddeutschen Territorien unter Führung Preußens gegen die süddeutschen unter Führung Österreichs. Auch unsere Männer mussten ran. So beschloss der Gemeinderat 1859, dass jedem der zum Militär einberufenen Mann aus der Gemeindekasse ein Betrag von 2 Thalern als Unterstützung gezahlt wird. Diese Zahlung wird 1866 auf alle Landwehrleute und Reservisten ausgedehnt. Auch werden in diesen Jahren mehrmals Spenden für gefallene und schwer verwundete Kriegsteilnehmer geleistet. Die militärische Überlegenheit Preußens drängte den Einfluss Österreichs im deutschen Reich - der österreichische König war ja über Jahrhunderte hinweg stets auch deutscher Kaiser - zurück und bereitete den Boden für den Krieg 1870, wieder einmal gegen Frankreich. Der Sieg war dann die Basis zur Gründung des zweiten deutschen Reiches mit dem preußischen König als neuem deutschem Kaiser. Chronik und Kirchenbücher halten sich mit Einträgen zurück. Drei Briedeler Gefallene konnten wir bisher aus Verlustlisten verschiedener Regimenter, die im Internet für alle einsehbar sind, ermitteln. Wahrscheinlich bringen künftige Veröffentlichungen weitere Opfer zutage.

Während der Kämpfe wurde auch in Briedel eine Requestationskommission eingerichtet, die die Lebensmittelversorgung der Bewohner sichern sollte. Dazu wurde u.a. Reis auf Gemeindekosten bevorratet.

Die große Katastrophe der Menschheit kam dann mit dem ersten Weltkrieg. Hier ließen, wie schon erwähnt, 78 junge Briedeler ihr Leben. Zum Gedenken daran errichtete die Zivilgemeinde ein Sandsteinrelief mit allen Namen der Gefallenen, das nach einigen Umsetzungen, derzeit hinten in der Kirche eingebaut ist.

Für die nach der Demobilisierung Zurückgekehrten fehlte es an Erwerbsmöglichkeiten. So wurden verschiedene öffentliche Projekte (Wegebau, Drainagearbeiten etc.) als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Gemeinde vergeben. Den Armen und Kriegerwitwen stellte die Gemeinde kostenlos Gartenland zur Verfügung, „damit sie Kartoffeln und Gemüse anbauen und sich damit vor Hunger schützen können".

Der zweite Weltkrieg, der nur eine Generation später über die Welt hereinbrach, kostete, wie schon genannt, 115 jungen Briedelern das Leben.

1942 wurden, wie schon im ersten Weltkrieg einmal, die Kirchenglocken vom Turm geholt und für die Waffenproduktion beschlagnahmt. Später wurden dann auch Weihwasserbecken, Weihrauchkessel, Kerzenständer etc., insgesamt 46,25 kg edle Metalle, konfisziert. Während 1917 die metallenen Pfeifen des Prinzipalregisters der Orgel gegen eine Entschädigung von 500 Mark abgeliefert werden mussten, konnte 1944 die schon wieder angeordnete Beschlagnahme aller Pfeifen aus der Orgel glücklicherweise verhindert werden.

Während das Denkmal für die Befreiungskriege gegen Napoleon 1813 und die Siegessäule für den Krieg 1870 noch imposante Basaltwerke darstellten, war das Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges ein Sandsteinrelief. Zum Gedenken an den großen Verlust des 2. Weltkrieges entstand die kleine Gefallenengedenkkapelle an der linken Kirchenwand, die wir heute nach Renovierung wieder eingeweiht haben.
(siehe dazu „Die Gefallenenkapelle" und „ Die Pieta in der Briedeler Kirche")

Lange Jahre erzählte man sich, dass die Zahl der Toten des 1. Weltkrieges der Zahl der Stufen der Kirchentreppe von der Sünd aus und die des 2. Weltkrieges der Stufenzahl von der Kehr aus entsprechen würde. Durch die vielen zunächst nur als vermisst Erfassten sind diese Zahlen jedoch deutlich überschritten worden. Heute kann man sagen, das auf jeder der 76 Treppenstufen von der Sünd zur Kirche und den 115 bis ganz hinauf auf den oberen Friedhof ein junger Briedeler Soldat stehen könnte.

Nicht vergessen wollen wir aber auch alle anderen Personen, die im Zuge der Kriegshandlungen, sei es bei Granatbeschuss oder Mord, ums Leben kamen. Auch der Verwandten, z.B. der in Briedel geborenen und als Jüngling nach auswärts verzogenen Opfer sowie der fremden Soldaten, die auf Briedeler Gemarkung ihr Leben ließen, wollen wir gedenken. So sind 5 auf dem Briedeler Friedhof beerdigte Soldaten später auf den Ehrenfriedhof Prinzenkopf umgebettet worden.

In den Vermisstenlisten der Amtsverwaltung Zell sind weitere 6 Soldaten aufgeführt, bei denen ich bisher noch keinen direkten Bezug zu Briedel finden konnte. Wahrscheinlich wohnten deren Angehörige nach dem Krieg als Flüchtlinge bei uns und stellten von hier aus die Vermissten- und Suchaufträge.

Bei allem Gedenken an unsere Mitbürger, die in den Kriegen ihr Leben lassen mussten, sollen aber auch alle die, die in Gefangenschaft gerieten und dort unter teils menschenunwürdigen Bedingungen leben und arbeiten mussten, nicht vergessen werden. In Aufzeichnungen des Bürgermeisters vom Mai 1947 sind noch 72 Namen aufgeführt, die sich zwei Jahre nach Ende des schrecklichen Krieges immer noch in Gefangenschaft der Alliierten befanden. Weiter aufgeführt sind 125 Soldaten, die zwischenzeitlich aus der Gefangenschaft von Amerikanern und Engländern entlassen wurden.

Aber auch mit Ende des 2. Weltkrieges nahm das Leid kein Ende. Die Bundesrepublik wurde wieder bewaffnet und 1981 musste Burkhard Rees bei einem Unfall bei der Bundeswehr sein junges Leben für die Freiheit unseres Landes lassen.

Der Aderlass von rund 200 jungen Männern, nach Medizinerdeutsch „in bestem biologischen Alter" hat die Bevölkerungsentwicklung Briedels maßgeblich mitgeprägt. So ist seit dem Höchststand von 1939 eine kontinuierliche Reduzierung der Einwohner auf heute nur noch etwa die Hälfte zu verzeichnen. Nach der letzten Volkszählung gibt es in Briedel nur noch 130 wehrfähige Männer im Alter von 19 bis 45 Jahren.

Die verschiedenen, teils halbprivaten Aufzeichnungen über die Briedeler Soldaten, lassen über die Gesamtzahl der eingezogenen Männer keine genauen Aussagen zu. Zum Ende des Jahres 1943 verzeichnet die Schulchronik, dass 312 Briedeler im Felde seien. Die Gemeindechronik, die Anfangs in Siegesgewissheit schwelgte, verschweigt uns ab 1943 das Geschehen, wohingegen die Schulchronik bis 1944 erhalten ist und nach 1946 aus der Erinnerung des Chronisten nachgeschrieben wurde. Die Pfarrchronik hingegen zeigt während des ersten Weltkrieges noch lange Sympathie „für die gerechte Sache". In der Zeit des 3. Reiches, besonders in den Kriegsjahren, ist jedoch eine zurückhaltende bis vorsichtig ablehnende Haltung des Chronisten erkennbar.

Zum Ende des Krieges ermittelte ich aus verschiedenen Listen über Gefallene, Vermisste, noch in Gefangenschaft befindliche und als amtlich entlassen Zurückgekehrte die Zahl von 313 Männern. Diese Daten sind aber nicht vollständig, da eine Reihe von Briedelern, die nachweislich Soldat waren, dort noch nicht aufgeführt sind. Diejenigen, die ohne offizielle Entlassungspapiere der Siegermächte nach Hause kamen, galten als Deserteure. Darüber gibt es verständlicherweise keine Aufzeichnungen. Insgesamt schätze ich die Zahl der Briedeler, die im zweiten Weltkrieg Soldat oder zwangsverpflichtet waren, auf cirka 450 Personen. Einige junge Männer hatten sich Anfang 1945 in der Briedeler Schweiz versteckt, um einer Einberufung noch kurz vor dem Einmarsch der Alliierten zu entgehen. Wenn wir dann zu den rund 330 Soldaten des ersten Weltkrieges noch die Wehrpflichtigen der Bundeswehr zählen, waren im abgelaufenen 20. Jahrhundert rund 1.000 junge Briedeler „unter den Fahnen".

Zum Schluss wollen wir aber auch diejenigen nicht vergessen, die in den Kriegszeiten zuhause die große Last zu tragen hatten. An die Witwen, Bräute und Frauen, die schwer arbeiten mussten, um sich den Lebensunterhalt zu erwirtschaften und Familie und Kinder zu ernähren. Auch die vielen kleinen Kinder, die ohne Vater aufwachsen mussten, sind ja Opfer des Krieges gewesen.

Danken müssen wir heute dafür, das die derzeitige Friedensperiode die längste Zeitspanne ohne Krieg und Brandschatzung der letzten 500 Jahre, wahrscheinlich sogar seit der Römerzeit, ist, die Briedel erleben durfte. Hoffen wir inständig, das uns der Friede erhalten bleibt.

 

Ereignisse im März 1945

 

Teil 1: Auszug aus der Schulchronik Briedel
(im Jahre 1946 nachträglich niedergeschrieben anhand der Aufzeichnungen von Pastor Hebler)

Teil 2: Supplement von Albert Diederich

Teil 3: Auszug aus dem Archiv der amerikanischen 89. Infanteriedivision

 

02.03.1945:

Amerikaner sind in Trier eingerückt. Kell, Hermeskeil und wer von den Amerikanern erreicht!

06.03.1945:

Die Eifelbefestigungen sind von den Amerikanern durchbrochen. Die Amerikaner sind auf dem Weg zum Rhein. Kein nennenswerter Widerstand mehr.

09.03.1945:

Gerüchte gehen um und bestätigen sich: Wittlich und Koblenz ist von den Amerikanern besetzt. Der Rhein bei Remagen überschritten. Dort fiel den Amerikanern bei raschem Vorstoß eine feste Rheinbrücke unversehrt in die Hand. Sie bilden in laufendem Nachschub einen Brückenkopf. Hier konzentriert sich noch einmal die Kraft des Widerstands. Harte Wochen, lange Kämpfe entbrennen, verwüsten eine blühende Landschaft. Mehr und mehr erweitern die Amerikaner Ihren Brückenkopf, der Widerstand erlahmt. Am 23.3.1945 erfolgt der entscheidende Durchbruch.

12.03.1945:

Inzwischen rückt der Krieg näher und näher an Briedel heran. Laufend sind deutsche Truppen auf dem Rückzug durchgekommen. Auch rückten die letzten Sprengkommandos an. Vor der Schule wird eine kleine Brücke der Moseltalbahn gesprengt. Ob das den Krieg noch wenden sollte? Zu vielem Sinnlosen ein Sinnloses mehr! Eine ganz schwere Ladung zerstört die Brücke und richtet in der Umgebung große Verheerungen an. Besonders die Schule leidet schwer unter der Gewalt der Sprengung. Türen, Fenster und Teile der Wände sind eingestürzt, das Dach ist beschädigt. Eine 15 Zentner schwere Eisenbahnschiene wird über das hohe Schulhaus hinweg geschleudert und zertrümmert das Dach des Hauses Binninger im Gestade. Am Gestade sieht es aus, als hätte ein Bombenangriff dort Verwüstungen angerichtet.

13.03.1945:

In der Nacht zum 13.3. ( Montag auf Dienstag) setzt Artilleriebeschuß auf Briedel ein. Die amerikanischen Batterien sollen auf dem Reiler Hals und auf Montroyal stehen. Die Beschießung dauert von 1.20 Uhr bis 5.30 Uhr. Es sind schlimme Stunden für das Dorf. Schwere Schäden entstehen besonders im Oberdorf.
Eine Reihe von Häusern wird ernstlich getroffen. Eine Frau (Frau Willi Stölben, Gertrud geb. Reis) kommt ums Leben. Sie will in dem Beschuß vom Haus in den Keller laufen, dabei trifft ein Splitter sie tödlich! - Angst und Schrecken sind ins Dorf gekehrt. Man lebt angstvoll vor dem kommenden Tag, vor der kommenden Nacht.

14.03.1945:

Um 2.30 Uhr setzt wieder Beschießung ein, heftiger noch als in der vergangenen Nacht. Die Einschläge liegen vor allem im Mitteldorf. Viele Häuser werden schwer getroffen. Bis zum Mittag dauert der Beschuss. Dann erst trauen sich die Leute aus den Kellern und Stollen. Schwere Schäden bieten sich Ihren Augen, 4 Tote werden geborgen: Frau Johanna Rees geb. Gibbert, eine über 70 Jahre alte Frau liegt unter den Trümmern Ihres Hauses begraben. Ein evakuierter Mann aus Trier ist durch Granatsplitter getötet; dazu haben zwei deutsche Soldaten den Tod gefunden.
Das Dorf Briedel ist ein Bild der Verwüstung: Trümmer, Dreck, Scherben, wirre Drähte ein Bild aus der Front! Auch die Kirche ist durch drei Granateinschläge beschädigt.

15.03.1945:

Dauerndes Artilleriefeuer, aber keine direkte Beschießung des Dorfes. Der Amerikaner schickt Nebelgranaten ins Moseltal. Nun wird bald das Ende kommen. Wie wird es sein?

16.03.1945:

Im alten Buch der Geschichte des Dorfes Briedel wird heute ein Blatt gewendet und ein neues geschrieben.
Morgens um 7 Uhr sind plötzlich die Amerikaner im Dorf. Unter heftigen Gewehrgeknatter nehmen sie den Ort ohne Widerstand. Die angstvollen Einwohner haben sich in Keller und Stollen geflüchtet. Nun müssen sie alle heraus. Alle Männer müssen mit erhobenen Händen zu einem Sammelplatz vor dem Dorf. Dabei sind sie gezwungen, deutschen Maschinengewehrfeuer zu durchlaufen. Zwei Männer werden verwundet: Wilhelm Jos. Goldschmidt, der in der folgenden Nacht starb und Heinz Schneiders.
Ehemalige Angehörige der deutschen Wehrmacht werden unter den versammelten Männern herausgesucht und in Gefangenschaft geführt. Für manchen wird es ein Weg in eine bittere, schwere Zeit. Die anderen Männer durften nachmittags in Ihre Häuser zurück.
Manche Familie muß plötzlich Ihr Haus verlassen, das von der amerikanischen Kampftruppe belegt wird. Die Leute sind streng an Ihre Wohnung gebunden. Nur morgens von 7 - 8 Uhr und nachmittags von 5 - 6 Uhr darf die Straße betreten werden.

17.03.1945:

Morgens setzt eine wilde Schießerei um die Kirche herum ein. Man vermutet im Kirchturm noch deutsche Soldaten! In der Kirche entstehen erhebliche Schäden. Auf und im Kirchturm wurde kein Soldat festgestellt.
Die Ausgangsbeschränkung ist sehr schwer für die Bevölkerung. In 2 knappen Stunden müssen sie all Ihre Besorgungen draußen erledigen. Die gesamte Nationalsozialistische Gesetzgebung wird durch Verfügung aufgehoben.
Photoapparate, Ferngläser und alle Waffen müssen abgeliefert werden. Das Artilleriefeuer ist nur mehr in der Ferne zu hören. Überfliegende Bombenverbände schrecken die Bevölkerung nicht mehr.

18.03.1945:

Sonntag - Passionssonntag, Ausgehzeh von 7 - 9 Uhr. Im Dorf herrschte Stille. Kaum traut sich jemand auf die Straße. Kein amerikanischer Soldat ist mehr im Dorf. Die Ausgangsbeschränkung bleibt bestehen. Erst am 24.03.1945 wird sie von morgens 7 bis 6 Uhr abends festgesetzt.
Die Bevölkerung findet sich allmählich mit den neu gegebenen Verhältnissen ab. Nach all den Schmerzen des Krieges ist dies nicht so schwer. Manches hat sich gewandelt. Was früher angebetet wurde, nun verbrannt. Die vorher groß waren sind nun ganz klein geworden. Manchen sind die Augen aufgegangen und es hat den wahren Wert dessen erkannt, dem er nachlief.
Noch ist der Nationalsozialismus an der Macht. Mit allen Mitteln suchen die Verantwortlichen den Krieg zu verlängern, um damit Ihre eigene Frist zu verlängern.

08.05.1945:

Der Krieg ist zu Ende. In raschem Vorstoß an allen Fronten haben die Vereinten Nationen den letzten deutschen Widerstand gebrochen. Die großen politischen Führer des deutschen Volkes sind verschwunden; Selbstmord, Flucht oder Verhaftung. Das Volk bleibt und trägt alles ! - Dies ist ein militärische und politische Niederlage, wie es wohl größer nie eine gab, umso bitterer, da uns der größte Sieg immer wieder in sichere Aussicht gestellt war:
Deutschland ist ohne zentrale Regierung, in 4 Besatzungszonen aufgeteilt, die von amerikanischen, englischen, russischen und französischen Truppen besetzt sind. Unsere Gegend gehört vorerst zur amerikanischen Besatzungszone. Die Emährungslage wird sehr schwierig. Die Besatzungszonen sind wirtschaftlich auf sich selbst gestellt. Kleinste Gebiete bilden Wirtschaftseinheiten. Der Ausgleich zwischen Über- und Unterschussgebieten fehlt. Die Ablieferungspflicht für Getreide, Kartoffel, Milch bleibt bestehen. Die abgelieferten Mengen sinken dauernd. Egoismus macht sich breit. Mangelware wird als begehrtes Tauschobjekt verwandt. Auf dem Geldmarkt herrschen Unsicherheit und wenig Vertrauen. Produktion und wirtschaftlicher Wetteifer fehlen.
Viele Evakuierte nehmen den Weg in Ihre Heimat zurück. Elendsbilder auf der Landstraße!
Die Jugend ist immer noch ohne Schule.
Postverkehr ist noch nicht wieder eröffnet.
In vielen Familien ist bange Sorge um abwesende Soldaten, Kriegsgefangene und andere Familienmitglieder.

 

 

Supplement zu den Ereignissen des Jahres 1945

 

Folgende Briedeler Zeitzeugen erzählten von diesen Ereignissen:
1. Maria Diederich
2. Albert Diederich Senior
3. Reis Edmund
4. Hubertus Kroth
5. Josef Bremm
6. Albert Diederich Junior, (der am 25.5.1945 als erster Brieleler aus amerikanischer Gefangenschaft nach Hause kam und diesen Bericht im Jahre 2001 aus der Erinnerung heraus verfaßte)
.
Als die Amerikaner das Oberdorf herunter kamen, lief ein französischer Kriegsgefangener, der sich eine Kokarde angesteckt hatte, mit Freudenrufen auf sie zu. Nicht lange danach eilte er mit lautem Geschimpfe davon, weil ihm die Amerikaner kräftig in den Hintern getreten hatten.

Eine Jüdin, die lange von einer Briedeler Frau versteckt worden war, wurde durch den Einmarsch der Amerikaner befreit.

Die Briedeler Volkssturmkompanie unter dem Befehl des ehemaligen kaiserlichen Oberfeldwebels Arenhard, der Spieß Fischer und vier Zugführer traten nicht in Erscheinung.

Zwei SS-Männer, die im Hotel Göres übernachtet hatten und auf einem Motorrad flüchten wollten, wurden von den Amerikanern erschossen.

Die älteren Männer und die jungen Burschen wurden nach dem Brerdelbach gejagt. Dabei mußten sie durch das Maschinengewehrfeuer der zurückweichenden deutschen Soldaten laufen. Wilhelm Josef Goldschmidt wurde dabei so schwer verweundet, das er in der Nacht darauf starb. Auch Heinz Schneiders wurde schwer getroffen. Zwei weitere davon, Edmund Reis, der noch einen Arm im Gips hatte, und Karl Engel, mußten auf den Reiler Wald laufen, wo sie sich mit deutschen Kriegsgefangenen vor die Amerikaner als Kugelfang hinknien mußten.

Eine amerikanische Kompanie, welche die Bergstraße hochging und sich in den Fronwiesen entfaltete, geriet in das Feuer deutscher Soldaten, die aus dem Wald heraus schössen, so daß 22 amerikanische Soldaten ausfielen. Wutentbrannt kam die Kompanie wieder nach Briedel zurück und drohte, das Dorf anzuzünden. Wären nicht besonnene Männer unter ihnen gewesen, wäre Briedel in Flammen aufgegangen.

Die Bergkappelle, auch "Sündehäuschen" genannt, wurde durch die Ermordung eines deutschen Soldaten entweiht. Das Opfer, das man an den Beinen gefesselt vorfand, wurde auf dem Briedeler Friedhof bestattet.

Ein böses Spiel wurde mit drei jungen Briedeler Soldaten, welche aus dem Lazarett entlassen waren, getrieben; sie mußten sich aufstellen, so als ob man sie erschießen wollte. Beim Abschuß ihrer Gewehre rissen die Amerikaner sie nach oben und feuerten in die Ferne.

Weit schlimmer erging es vier deutschen Soldaten, die an dem Haus von Josef Brenan in Richtung Zell vorbeigefahren und kurze Zeit später tot zurückgebracht wurden.

Später gingen Amerikaner wie die Wilden mit dem Briedeler Gemeindearchiv um, das sie bei der Suche nach Naziunterlagen auf den Schulhof warfen.

Im August kamen die Franzosen, die uns von unserem Gemüse, Kartoffeln, Wein und unseren Kälbern befreiten. Etliche Männer, welche nichts verbrochen hatten, wurden in ihr Konzentrationslager nach Diez geschleppt, wo man sie halb verhungern ließ. Außerdem gab es unnötige Ausgangssperren.

Briedel, den 3.1.2001
(Albert Diederich)

 

Originalabdruck aus dem Archiv der 89. amerikanischen Infanteriedivision, die Briedel am 16.März 1945 eroberte (befreite).

batallionsberich89

Die preußische Zeit in Briedel

Schwerpunkt: die Moselweinkrise ca 1830-1850

Hermann Thur, (c) 2012

 

Briedel war als kurtrierisches Gebiet schon vor der Franzosenzeit (1794 - 1814) in einem „größeren" Staatengebilde eingebunden. Im Gegensatz dazu bekamen die rund 100 kleineren Herrschaften links des Rheines erst durch die Besatzung und Eingliederung in den französischen Staat in den Genuss eines einheitlichen Rechts- und Steuersystems. Auch die vielen unterschiedlichen Maße und Gewichte sowie die Währung wurden für diese erstmals vereinheitlicht und ermöglichten so ein Aufblühen von Handel und Gewerbe, weil die vielen unterschiedlichen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchleitungszölle durch die vielen Kleinststaatengrenzen entfielen.

So kurz die französische Zeit auch war, so sehr hat sie doch die Lage im Weinbau verändert. Entfeudalisierung, Säkularisation und eine günstige Konjunktur verbesserten ohne Zweifel die Lage der meisten Winzer. Der gewachsene Wohlstand hatte jedoch manche Ähnlichkeit mit einer Scheinblüte, denn neben dem Zinsendienst für für die aufgenommenen Kapitalien lastete eine hohe Grundsteuer auf den Weinbergen und die Preisentwicklung war nicht allein von natürlichen Einflüssen, sondern auch von administrativen Maßnahmen abhängig. Die Moselwinzer sollten dies in der einen wie in der anderen Weise nur zu bald erfahren.
(Quelle: Annette Winter-Tarweinen, Weinbaukrise und preußischer Staat)

Im Wiener Kongress wurden die linksrheinischen, bis dato „französischen Gebiete" Preußen zugeschlagen. Der Versuch Österreichs und Bayerns, mit der Rücknahme der Pfalz ab dem 30.4.1814 auch Teile der ehemaligen Erzbistümer Mainz und Trier bis an die Mosel zu annektieren, schlugen damit fehl und Briedel war ab dem 5.4.1815 preußisch.

Die extremen Unterschiede in Kultur, Wirtschaft, Religion, politischer Entwicklung, aber besonders im Rechts- und Steuerwesen zwischen den westlichen Landesteilen gegenüber den alten östlichen Teilen des nun viel größeren Preußens machte es den neuen Herren nicht leicht, die Bevölkerung zu überzeugen.

Wenn die Rheinlande nun auch sozusagen das einzige Weinbaugebiet Preußens waren, so war es doch nicht so einfach möglich, die östlichen Landesteile als Absatzgebiet für die Moselweine zu erschließen, um damit einen Ersatz für die weggefallenen westlichen Länder Frankreich und Niederlande zu bekommen. In den zwischen den beiden Landesteilen liegenden anderen "ausländischen" Gebieten (z.B. Hannover, Kurhessen etc.) waren hohe Durchleitungszölle fällig und auch die fehlende Infrastruktur (Straßen, Eisenbahn, Schiff) behinderte und verteuerte den Weintransport von West nach Ost massiv.

Die rheinländischen Weine wurden, wie auch die französischen und ungarischen Weine, im alten Preußen als ausländische Erzeugnisse angesehen und entsprechend mit einer hohen Weinsteuer als Luxusgut besteuert. Erst 1818 fielen die Zollgrenzen innerhalb Preußens und die Moselweine fanden ein aufnahmefähiges Absatzgebiet. Eine weiterhin hohe Abgabe für einheimische Weine und die extreme Erhöhung der Einfuhrzölle für ausländische Weine diente nicht, wie vielfach angenommen, der Förderung des rheinischen Weinbaus, sondern war ausschließlich zur Erhöhung der Staatseinnahmen vorgesehen, wenngleich sich der Belastungsunterschied beim Absatz bemerkbar machte. Fast ein Viertel der preußischen Einnahmen aus Verbrauchssteuern kamen 1819 aus Wein- und Alkoholsteuern. Für viele Jahre jedoch haftete dem rheinländischen Wein noch ein Makel an, sodass trotz der höheren Zölle und Verbrauchssteuern der Anteil französischer Weine in Preußen auf einem hohen Level verblieb.

Einen besseren Absatzmarkt boten sich daher in England, Holland und Belgien sowie in dem auch preußisch gewordenen Westfalen. Das niederländische Zollgesetz von 1826 verteuerte später jedoch die Durchleitung von Weinen nach England und für den Seeweg zu den ostdeutschen Häfen beträchtlich.

Exzellente Jahrgänge um 1820 bescherten den Winzern ungewohnt hohe Weinpreise. Dieses spornte die Investitionsfähigkeit an und die Weinbauflächen wurden teilweise stark ausgedehnt und die Weinbauern stockten, finanziert durch günstige Kredite, ihre Betriebe auf.

Der preußische Staat stand durch die Niederlage gegen Napoleon und durch die enormen Kosten der Befreiungskriege praktisch vor dem Bankrott. Dazu kamen die Schwierigkeiten, die gänzlich verschiedenen Steuersysteme und Kulturen der beiden Landesteile zu vereinheitlichen. Und eine Anpassung geschieht - wie auch heute noch - am einfachsten, wenn man die niedrigen Sätze aus beiden Regionen den jeweils höheren angleicht.

Zum Zwecke der Grundsteuerberechnung wurden 1820 in einem Hauruckverfahren - berechnet auf den hohen Weinpreisen der guten Jahrgänge 1818 und 1819 - die Weinberge in 6 Klassen eingeteilt, wobei oftmals ganze Gemarkungen einheitlich eingestuft wurden. Das Grundsteueraufkommen verdoppelte sich dadurch nahezu.

Eine Einkommensteuer im heutigen Sinn gab es noch nicht und so wurde mit Einführung der Klassensteuer sozusagen eine Pauschal-Einkommensteuer neben die bestehen bleibenden flächengebundenen Abgaben eingeführt.

Einige Mitglieder der preußischen Steuerkommission hielten es damals für eine unüberwindliche Schwierigkeit, das wahre Einkommen der Bürger zu ermitteln; dies könne man nur durch ein gehässiges Vorgehen, d.h. ein zu tiefes Eindringen des Staates in die Verhältnisse des Bürgers, in Erfahrung bringen.
(Quelle: Denkschrift Hoffmanns, zit. In R.Grabower, S. 508ff.)

Mehrere schlechte Jahrgänge in Folge, starker Preisverfall, Wegbrechen von Absatzgebieten, und die neuen höheren Steuern führten letztendlich 1827/1828 zu einer ersten rheinischen Weinbaukrise. Verstärkt wurde diese dann durch den 1828 gegründeten Zollverein mit Hessen und 1829 mit Württemberg und Bayern, wodurch große süddeutsche Weinbaugebiete zusätzlich auf den preußischen Markt drängten. Aus den Unterlagen zu den Verhandlungen über die Gründung des Zollvereins geht eindeutig hervor, dass Preußen keinerlei Rücksicht auf den Moselweinbau nahm, obwohl man die entstehenden wirtschaftlichen Problemen erwartete. Die Schaffung besserer Chancen für die aufstrebende preußische Industrie überlagerte den gesamtwirtschaftlich minimalen Anteil des Weinbaus. Hier hatte auch der politische Wille der Machtausdehnung zu einem gesamtdeutschen Verbund ohne Österreich unter preußischer Führung absolut Vorrang. Zwar brachten die staatlichen Behörden vom Landrat über den Regierungspräsidenten bis zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz immer wieder die Not und die überbordende Besteuerung in Berlin vor, aber ein Anteil von 0,29 % an der Gesamtwirtschaftsleistung fand dort keinerlei Gehör. Im Gegensatz, immer wieder wurde versucht, das Weinsteueraufkommen durch Wechsel der Klassifizierungen und Erhöhung der Steuer- und Zollsätze weiter zu erhöhen.

Die schon von den Franzosen begonnene katastermäßige Erfassung aller Grundstücke wurde zum Zwecke der steuerlichen Bewertung 1832 mit Macht umgesetzt. Aus diesen Unterlagen haben wir heute noch einen recht guten Wissensstand über die seinerzeitigen Verhältnisse.

Der durchschnittliche Betrieb (Familienbetrieb) bewirtschaftete 1,5 bis 2 Morgen Weinberge. Dazu kamen bis zu 10 Morgen Wiesen und Ackerland zur Eigenversorgung.
Als Beispiel wird in einer Eingabe 1846 aufgeführt, dass ich eine 6-köpfige Familie von 5 Morgen Ackerland 3 Monate lang ernähren könne.

Als mittlere Winzerbetriebe (Weingüter) bezeichnete man Weingüter ab 5 Morgen. In anderen Listen wurden diese auch als = Notabeln, hochbesteuerte Winzer, bezeichnet. Ein weiteres Merkmal dieser Gruppe war, das sie Tagelöhner als Hilfskräfte beschäftigten.

Großbetriebe betrachtete man ab einer Weinbergsfläche von 50 Morgen. Betriebe dieser Größe waren sehr selten, sie waren meist aus spekulativem Ankauf der säkularisierten Klostergüter entstanden. Über sie wird geschrieben: „= sie bauten Mauern in die Weinberge, um den Bergen die geeignete Neigung zur Sonne zu geben und das Rückhalten der Feuchtigkeit und der Düngekräfte zu bewirken".

Die Qualität der Weine stieg mit der Betriebsgröße signifikant an, damit auch die Preise. Die größeren konnten selektiv die reifen Trauben lesen und konnten sich beim Verkauf zurückhalten, während die Kleinen aus arbeitswirtschaftlichen Zwängen recht früh alle Trauben am Stock lesen mussten. Eine hygienische Kelter- und Kellertechnik bedingte gleichfalls hohes Kapital und ausreichende Mengen an Lesegut. Auch mussten die Familienbetriebe recht bald ihren Wein an den Handel verkaufen, da die staatlichen Steuern früh fällig waren und ohne Rücksicht auf den Verkauf eingetrieben wurden. Die flächengebundene Besteuerung war vom wirklichen Ertrag losgelöst, wodurch schwache Erntejahre weiter über Gebühr belastet waren

1 Morgen (1/4 Hektar bzw. 2.500 qm) hatte etwa 2.500 - 3000 Weinstöcke. Darauf erntete der Moselwinzer im durchschnittlichen Jahr rund 9 1/3 Eimer (a 68,7 Liter), das entspricht ca 3/4 Fuder (zu ca 840 Liter) Wein.

Eine Familie konnte in normalen Jahren vom Ertrag von 1,5 Morgen Weinberg leben, wobei die Grundnahrungsmittel überwiegend auf dem eigenen Ackerland erzeugt wurden.
2 Morgen war auch etwa die Obergrenze, die eine Familie ohne Hilfskräfte (Tagelöhner) bebauen konnte.

Der Durchschnittserlös für ein Fuder Wein (einschließlich Fass) belief sich auf ca. 130 Tlr.
Im Spitzenjahr 1834 wurden bis zu 220 Tlr. gezahlt.
In den schlechten Jahren hingegen gab es nur 40-50 Tlr. und das noch bei fast der Hälfte der Menge. In der Folge wurden teils nur 18 Tlr. für ein Fuder Briedeler Wein bezahlt

Die Bebauungskosten werden je Morgen mit ca 26 Tlr. veranschlagt. Dazu kamen noch Steuern und Abgaben je Morgen von ca. 10 Tlr.

Zum Vergleich: Das Jahresgehalt einer Polizeidienerstelle belief sich auf 120 Tlr. Es entsprach damit ungefähr dem Einkommen einer Winzerfamilie in einem gut durchschnittlichen Jahr, ohne jedoch das Risiko des Einkommensausfalls in einem schlechten Jahr zu haben.

Man kalkulierte 1 gutes, 2 durchschnittliche und 2 schlechte Jahre pro Periode. Das bedeutete, das das eine gute Jahr Reserve für mindestens zwei schlechte Jahre einbringen musste.

Die Ackerflächen, insbesondere aber das von der Gemeinde verpachtete Schiffelland (Rottland) brachte die benötigten Grundnahrungsmittel ein. Der Lohn bzw. Erlös aus der Lohegewinnung bescherte vielen Familien die erforderlichen Barmittel, mit denen auch schwache Weinjahre überstanden werden konnten.

Die meisten Winzerbetriebe hatten eine Kuh und ein Schwein, wodurch der Milch, Fleisch- und Düngerbedarf gedeckt werden konnte.

Viele kleine Familien, ohne oder mit wenig Land, verdingten sich bei den größeren Betrieben als Tagelöhner. Oft ging der Vater in den Tagelohn arbeiten, während Frau und Kinder die eigenen Weinberge bebauten.

Die Großbetriebe wurden von der Weinkrise nur bedingt betroffen, die mittleren Güter waren in der Mehrzahl in der Lage, mehrere schlechte Jahre zu überstehen, während die Familienbetriebe extrem verarmten. Desweiteren fielen die Tagelöhner sozusagen ins Proletariat zurück, da ihre Arbeitgeber, die mittleren Betriebe, sie auch nicht mehr beschäftigen konnten. Da keine industriellen Arbeitsplätze in der Region vorhanden waren erreichte die Arbeitslosigkeit ungeahnte Höhen.

Nach den Steuerlisten waren ca 45 % der Familien Tagelöhner, 37 % waren Weinbau-Familienbetriebe, 4 % mittlere Weingüter und 14 % Handwerker.
(Detailliste noch erstellen)

Einige Versuche an der Mittelmosel, durch die Gründung von Winzergenossenschaften zumindest für die kleinen und Nebenerwerbswinzer eine solidere Basis zu schaffen, scheiterten. Erst um die folgende Jahrhundertwende hatten sich die Ansichten geändert und die Neugründen waren oft sehr erfolgreich.

Wie wir den Zeitungsanzeigen entnehmen, gab es nach 1830 jährlich eine stetig ansteigende Zahl von Zwangsversteigerungen. Zunächst von Wein, dann zunehmend von Weinbergen, Häusern, Vieh bis zum Hausrat. Oft wurde sogar das Ehebett für Steuerschulden gepfändet und versteigert.

Trotz der knappen finanziellen Lage war die Gemeinde Briedel 1832/34 in der Lage, für 5.625 Taler eine neue Schule zu bauen, da die alte (Alte Parf) weder räumlich noch bautechnisch die gewachsene Kinderschar aufnehmen konnte. Am Beispiel unseres Polizeidienergehaltes gerechnet, entspricht das heute etwa 2,5 Millionen Euro. Der in den Boomjahren in Angriff genommene Ausbau einer zentralen Wasserleitung anstelle der vielen Hausbrunnen (Pütz) und die Abwasserentsorgung wurden nach 1840 wieder nach angegangen, wobei die Arbeitsbeschaffung hier nun im Vordergrund stand.

1845/46 folgten dann noch Missernten bei Getreide und dem Hauptnahrungsmittel Kartoffeln. Die Gemeinde Briedel stellte den ärmeren Mitbürgern kostenlos Wiesenflächen in Ortsnähe zur Verfügung, die diese urbar machen und zum Anbau von Kartoffeln und Gemüse zur Abwendung des schlimmsten Hungers nutzen konnten.

Einige Gemeinden an der Mosel riefen den Notstand aus, da sie nicht mehr in der Lage waren, ihren Einwohnern ausreichende Lebensmittel bereitzustellen. Militärmagazine wurden geöffnet und die Lebensmittel verbilligt abgegeben. Viele Gemeinden verkauften Ihr Holz an die aufkommenden Hütten- und Industriebetriebe, um mit dem Geld Lebensmittel und Saatgut für Ihre Bürger zu kaufen. Eine Folge davon war, dass die bis dato übliche kostenlose oder preisgünstige Abgabe von Brenn- und Bauholz an die Bürger nicht mehr angeboten wurde und die Armen dann noch kalt saßen. Wie die Unterlagen der Amtsgerichte ausweisen, explodierte die Zahl der Bestrafungen wegen Holzfrevel geradezu.

Die Getreidepreise wurden durch Spekulanten weiter in die Höhe getrieben, was die Versorgung weiter erschwerte.

Hunger und schlechte Ernährung machten die Bevölkerung für Krankheiten anfällig. Es grassierte das „Nervenfieber", eine Krankheit, deren Ursache in Störung der Verdauung und Ernährung lag. Briedel wurde 1842 - 1844 von einer Tuberkuloseepedemie sowie einer Viehseuche heimgesucht, die viele Opfer forderten.

"Die Unverkäuflichkeit ihres Weines zwingt die Winzer, ihren Wein selbst zu trinken, um leere Fässer für die neue Ernte frei zu haben. Das führt zu einer starken Zunahme der Trunksucht mit allen negativen Folgen", schrieb der Bernkasteler Landrat 1837 in einer Bittschrift um staatliche Hilfe..

In der Trierer Zeitung wird von einem häufigen krätzartigen Hautausschlag berichtet, „den man dem übermäßigen Genuss des beinahe ganz werthlosen Weines zuschrieb".
(Treveris, 17.12.1836)

„Scharen von zerlumpten und ausgehungerten Menschen ziehen bettelnd durch den Bezirk", berichtete die Bernkasteler Zeitung.

Die Auswanderung nahm ab 1840 wieder rasant zu. Während in der ersten Welle um 1828 nur 3 Briedeler Familien mit 18 Personen ihre Heimat verließen, wanderten aus Briedel von 1845 bis 1855 sogar 36 Familien mit 180 Personen, überwiegend nach Brasilien, aus. Insgesamt verließen im 19. Jhdt. rund 600 Briedeler, das entsprach etwa einem Drittel der Bevölkerung, die hungernde und perspektivlose Heimat und hofften aus eine bessere Zukunft in der unbekannten Ferne. Berichte von Auswanderern zeigen uns heute noch eindrucksvoll, das die Auswanderung damals meistens aus blanker Not heraus angegangen wurde und Überfahrt und Leben dort kein Zuckerschlecken war.

Trotz der Armut nahm die Population der Bevölkerung auch aufgrund verbesserter Hygienebedingungen stark zu und schloss die Lücken die durch Auswanderung entstanden waren.

Apropos Zeitung: Es gab zwar einige landwirtschaftliche Fachzeitschriften, aber der Weinbauanteil darin war klein und die Informationen richteten sich noch an die großen Güter. Tageszeitungen waren für die normalen Winzerfamilien zu teuer. In den Wintermonaten abonnierten daher oft mehrere Familien zusammen eine Zeitung, die dann rundgereicht wurde. Fachschulen für Weinbau und regelmäßige Informationen gab es erst später in nennenswertem Umfang. 1872 wurde in Briedel, wie auch vielerorts an der Mosel, der Verein „Landwirtschaftliches Casino" gegründet. Seine Aufgabe bestand darin, die Mitglieder mit neuen und besseren Methode des Weinbaus sowie des Ackerbaus vertraut zu machen und den gemeinschaftlichen Einkauf von Bedarfsartikeln wie Dünger zu organisieren.

Bereits 1836 gab es gutgemeinte Vorschläge zum Anpflanzen von Maulbeerbäumen und der Seidenraupenzucht, um von der Monokultur Wein loszukommen. Trotz mannigfacher staatlicher Anregungen setzte sich dieser Erwerbszweig nicht durch. Vorschläge, qualitätsstärkere Rebsorten anzupflanzen und die Arbeiten im Wingert zu rationalisieren fanden demgegenüber großes Gehör. Die Umsetzung verzögerte sich aber mangels ausreichendem Kapital der Winzer, denn die komplette Neupflanzung einer Parzelle mit dem damit verbundenen Ernteausfall dreier Jahre konnten sich nur die Großen leisten.

Demokratische und freiheitliche Bestrebungen nahmen ab 1845 zu. Die Bevölkerung hatte ja in der französischen Zeit etwas an der Freiheit geschnuppert. Dem preußischen Staat gelang es jedoch, mit teils massiven Repressalien die vom Grunde her absolut obrigkeitshörige moselländische Bevölkerung von schwerwiegenden Revolutionen abzuhalten. Die Ausrufung des „Briedeler Kaiserreiches" 1845 war nicht von der Mehrheit getragen und endete bereits nach zwei Tagen. Die sogenannte März-Revolution 1848 ging von Trier "der politischen Wetterecke der Rheinprovinz" aus. Während man dort schon von Bürgerwehr und Bewaffnung sprach, fanden in den Winzerorten nur die gewaltlosen Aktionen wie Volksversammlungen regen Zuspruch. Großflächige Verweigerung der Steuerzahlungen und einzelne Angriffe auf Bürgermeister und Feldhüter sind in diesem Zusammenhang zu nennen.

Die zentrale Staatsverwaltung und das an die Steuerzahlung gebundene Wahl- und Wählbarkeitsrecht schloss die große Mehrheit der Bevölkerung von den kommunalpolitischen Entscheidungen aus. Nur wer entsprechend vermögend war, konnte z.B. Schöffe (Gemeinderatsmitglied) werden. Dies waren die größeren Grundbesitzer, die dann verständlicherweise bei Ihren Entscheidungen, z.B. der Verteilung des Steuersolls auf die einzelnen Steuerklassen, ihren eigenen Vorteil bedachten.

Für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen stellte der preußische Staat ab 1839 Mittel zur Verfügung, die für Wege- und Straßenbau genutzt wurden. Auch die schon von den Franzosen geplante Verbesserung der Schiffbarkeit der Mosel wurde damit in Angriff genommen. 1839 begann ein planmäßiger Dampfschifffahrtsverkehr auf der Mosel, der jedoch durch Eisgang und Hoch- und Niedrigwasser oft behindert war. Erst der aus militärischen Gründen vorangetriebene Ausbau der Eisenbahnstrecke Koblenz - Trier (Kanonenbahn Berlin - Metz 1878) bot auch den Moselwinzern eine schnelle und preiswerte Transportmöglichkeit zu den Weintrinkern im Osten. Dadurch entfielen endlich die teils hohen Kostennachteile aus dem Transport gegenüber den ausländischen Mitbewerbern.

Verbesserte Infrastruktur und die Ausdehnung des Zollvereins auf die norddeutschen Länder ließ dann den Absatz wieder steigen und die Krise lief bis Mitte der 1850er Jahre aus.
Die Gallisierung (Zuckerung) der Weine in schlechten Jahren, zunächst von den größeren Betrieben gegen den Widerstand der Kleinen eingeführt, half mit, den Moselwein gegen die ausländische und süddeutsche Konkurrenz wettbewerbsfähig zu machen. Unterstützt wurde der Aufschwung auch durch eine Reihe sehr guter Weinernten. Der Wein konnte nun gegenüber dem billigeren, weil niedriger besteuerten, Bier wieder Teile der in den vorangegangenen Jahren verlorenen Marktanteile zurückerobern.

Obwohl es danach der moselländischen Bevölkerung überwiegend besser ging, wurde 1862 die Hundesteuer in Briedel eingeführt, deren Erlös ausschließlich für die Armenkasse der Gemeinde bestimmt war.

Im deutschen Krieg 1866 waren auch Briedeler eingezogen. Die Gemeinde zahlte jedem 2 Taler Unterstützung. Von Verlusten sind keine Aufzeichnungen erhalten.

Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 richtete die Gemeinde eine "Requestations-Commission" ein, um in Anbetracht des Krieges Lebensmittel, insbesondere Reis auf Gemeindekosten zu bevorraten. Eine Reihe von Kriegsteilnehmern wurde verwundet
Ein Gemeindestier musste im Dezember 1870 wegen Futtermangels abgeschafft werden, wurde kurz nach Kriegsende aber wieder angeschafft.

Die Gründung des deutschen Reiches und die Ausrufung des preußischen Königs zum deutschen Kaiser zeigten in Briedel keine über die allgemeine Wirtschaftsentwicklung hinausgehenden Entwicklungen. Der Gemeinderat Briedel beschließt am 11.6.1879: Für die Festlichkeiten anlässlich der goldenen Hochzeit des Kaiserpaares erhält jedes Schulkind 10 Pfennig. Um das Geld zu beschaffen, wird ein Eichenstamm verkauft. Lediglich der „Kulturkampf" der preußisch-deutschen Führung mit dem Vatikan bewirkte, dass die Pfarrstelle in Briedel von 1879 bis 1884 fünf Jahre lang unbesetzt bleiben musste. Die notwendigen kirchlichen Handlungen und Aufzeichnungen wurden im Pünderich vom dortigen Pastor wahrgenommen.

1883 kauft die Gemeinde wiederum einmal Saatkartoffeln, um sie den Bürgern als Ersatz für die schlechte Ernte zu überlassen. Einige Rottländereien werden gerodet, um dauerhaftes Ackerland bereitzustellen. Auch für die Schweine- und Ziegenzucht werden Waldgebiete als Futter- (Äsungs)-flächen bereitgestellt.

Der Weinbau wird um die Jahrhundertwende von vielen neuen Krankheiten und Schädlingen bedroht. Die Bekämpfung wird viele Jahre zentral von der Gemeinde durchgeführt. So erhalten die Schüler für das Einsammeln von Sauerwurm-Puppen 1 Pfennig pro Stück aus der Gemeindekasse.

Die 1841 als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Bevölkerung begonnenen Wegebaumaßnahmen wurden, nachdem es der Gemeinde wieder besser ging, erst 1894 mit der Fertigstellunng der Fahrstraße (heute Kreisstraße) von Briedel zu den Acker- und Lohflächen auf der Briedeler Heck fortgeführt.

Die Informationen über die Weinkrise wurden überwiegend dem Werk von Annette Winter-Tarvainen: Weinbaukrise und preußischer Staat; Preußische Zoll- und Steuerpolitik in ihren Auswirkungen auf die soziale Situation der Moselwinzer im 19. Jahrhundert, erschienen in der Reihe Trierer historische Forschungen Band 18, 1992, entnommen.

Für die Briedeler Angaben wurden hauptsächlich die Gemeindechronik und die Gemeindeannalen sowie die Gemeinderatsprotokollbücher herangezogen.