Hochzeitsbräuche in Briedel

10/2014


In der Nacht auf den 1. Mai war es bei uns lange üblich, neuen Pärchen einen Strich zu ziehen. Die jungen Burschen zogen mit Kalk einen weißen Verbindungsstrich von der Braut zum Bräutigam. Damit war dann die Liebelei, die bis zu diesen Tag oft nur ganz wenigen bekannt war, öffentlich gemacht. Nicht immer wurde hier eine feste anhaltende Verbindung propagiert und die Kreuzung verschiedener Striche gab zu manchen Missverständnissen Anlass. Andererseits konnte damit auch ein Raunen durch das Dorf ausgelöst werden. Vermutete ein Kandidat, dass seine junge und evtl. noch geheime Liebelei von seinen Freunden durch einen Strich öffentlich gemacht werden sollte, versuchte er dies zu verhindern, indem er die ganze Nacht mit seinen Freunden zu feiern versuchte. Meistens jedoch gelang es einigen, sich abzuseilen und die Kalkstraße zu ziehen.

Wegen dem heute üblichen viel freieren Umgang mit Freundschaften, Liebeleien und dem dadurch vermehrten „Wechseln" hat das Interesse an diesem Brauch nachgelassen und er ist eingeschlafen.

Wenn ein Pärchen heiraten wollte, musste das „Aufgebot" bestellt werden. Danach wurde im Sonntagsgottesdienst die Heiratsabsicht vom Pastor dreimal verlesen. Mit der Einführung der Zivilstandsregister 1794 durch die Franzosen musste der Ehewunsch beim Standesamt angemeldet werden. Diese Anmeldung wurde auf dem Bürgermeisteramt in Zell am schwarzen Brett im Foyer zur öffentlichen Bekanntmachung ausgehängt. Um allen Bürgern die Chance zum Einspruch zu geben, wurde die Bekanntmachung zusätzlich in Briedel im Gemeinde-Aushangkasten veröffentlicht. Diese große Informationstafel hing in Briedel am Haus Fischer am Brunnenplatz.

Je nachdem wer es war, z.B. bei einem älteren Junggesellen, wurde der Bekanntmachungskasten „gesteipt" (gestützt), damit der Kasten durch die schwergewichtige Information nicht herunterbrach bzw. war es ein Symbol für eine starke Stütze der neuen Ehe. Zum Steipen wurden von den Freunden des Bräutigams oftmals an mehreren Stellen im Ort, ganze Brennholzstapel aufgeladen und vor dem Kasten wieder aufgestapelt. Blumenkübel und alles greifbare wurde angeschleppt und draufgepackt. Nicht immer ging das Verteilen des Holzes durch die abholenden Besitzer ruhig ab, der Kampf um die Rückgabe der Holzklafter löste manch hartes Gefecht aus.

Beim Sonntagspaziergang der Brautleute war oftmals eine Schwester oder Tante als Anstandsdame dabei.

Während die standesamtliche Trauung, seinerzeit nicht als echtes Ehegelöbnis angesehen, meistens im ganz engen Familienkreis ablief, wurde die kirchliche Heirat, die „richtige" Hochzeit, mit großem Pomp innerhalb der Familie und des Freundeskreises sowie der Nachbarschaft, gefeiert.

Stammte ein Ehepartner nicht aus Briedel, musste eine Demission (Entlassung) der Geburtspfarrei eingeholt werden. Darin war dann auch teils eine moralische Beurteilung des/der Ehewilligen enthalten, die nicht immer nur Positives beinhaltete. Waren die Brautleute verwandt (bis zum 4. Grad) war eine Dispens des Bischofs erforderlich. Dies kam öfter vor, wenn z.B. die Mutter im Kindbett verstarb und der Vater zwecks Betreuung seiner Kleinkinder eine Schwester der Braut heiratete. Konfessionsverschiedene Ehen kamen so gut wie nicht vor.

Am Vorabend gab es die „Schleif, den Polterabend. Die ganze Dorfjugend, Verwandtschaft und Nachbarn rückten mit verschiedenen Stoßkarren am Elternhaus der Braut an. Diese wurden an die Hauswand aufgebockt und die Räder wurden Mithilfe von Stangen gedreht. Auf den eisenbeschlagenen Rädern wurden dann alte Sensenblätter angedrückt, was zu einem ohrenbetäubenden kreischenden Lärm führte. Schnelles Drehen führte sogar zum Funkenstieben. Beim Drehen wurde sich abgewechselt, da es eine doch schweißtreibende Arbeit war. Manchmal entwickelten sich richtige Wettbewerbe zwischen den einzelnen Mannschaften. Zum Dank gab´s dann einen Umtrunk. Dazu hatte der Brautvater ausreichend Wein bereitzustellen. Da auch die ganzen Familien dem Treiben der Dorfjugend zugeschaut und diese teilweise richtig angefeuert hatte, entwickelte sich die Schleif desöfteren zu einer gewaltigen Sause. Mancher Gast hatte am nächsten Morgen auf der Hochzeitsfeier gewaltig mit seinem Kater zu kämpfen.

Mit der Zeit wurden auch Käse- und Gehacktes-Brötchen sowie Würstchen oder Spießbraten und ähnliches zur Stärkung serviert. Heute gibt's kaum noch Karren und die Jugend poltert, d.h. mit Porzellan, Papier und Blech wird Krach und Schweinerei gemacht und das Brautpaar hat im Gegensatz zu früher Reinigungs- und Entsorgungsaufwand. Auch werden heute zum zeitlich von der Hochzeit abgesetzten Poltertermin vom Brautpaar die gewünschten Personenkreise eingeladen. Eine Schleif gilt zwar immer noch als öffentlicher Termin aber die Teilnehmerkreise sind doch übersichtlicher geworden. Nur noch wenige Brautpaare verfügen noch über einen elterlichen Weinkeller, sodass auch Bier und Schnaps zum Angebot zählen. Die Kosten trägt das Brautpaar, das ja im Gegensatz zu früher heute über eigenes Einkommen verfügt. Ein Zuschuss der Eltern ist dabei sicherlich immer gerne willkommen. In den letzten Jahren hat auch bei uns die Sitte der Junggesellenabschiede und Brautentführungen langsam Fuß gefasst.

Auf der kirchlichen Heirat trafen sich dann alle Mitglieder der beiden Familien sowie die beiden Freundeskreise des Brautpaares. Nach der kirchlichen Zeremonie am Morgen wurde zum Mittagessen dann aufgetischt, was das Herz begehrte. Eine Markklöschensuppe war immer der Beginn und oft wurde extra ein Rind oder Schwein geschlachtet, denn gekochtes Rindfleisch (Tafelspitz) mit Remouladensoße und Schnitzel satt waren unabdingbar notwendig. Am frühen Nachmittag wurde dann ein gemeinsamer Spaziergang durchs Dorf gemacht. Angeführt von den Brautleuten, gefolgt von den Brauteltern und Paten zog die Hochzeitsgesellschaft durch den Ort und zeigte sich der Bevölkerung. Die Jugend begleitete den Zug und wurde dafür mit Bonbons entlohnt. Das bei dabei auch das eine oder andere Leckerli auf einem Misthaufen landete, tat der Sache keinen Abbruch, im Gegenteil. Stiller Grund für diesen Spaziergang war jedoch, den Bedienungen im Saal die Gelegenheit zu geben, schnell und ungestört die Kaffeetafel eindecken zu können. Der Abend begann dann mit einem opulenten Festmahl und ausreichend gutem Wein aus eigenem Anbau. Närrische Lieder und Sketche, oft umgedichtet auf Ereignisse aus der Jugend der Brautleute brachten Stimmung in die Gesellschaft. Es wurde bis tief in die Nacht gefeiert und manche neue Verbindung bahnte sich an einem solchen Abend an. Einige Freunde versuchten am späteren Abend, oft unterstützt von Geschwistern des Paares, in die Wohnung des frischgebackenen Ehepaares zu kommen. Dort wurden dann z.B. die Betten auseinandergebaut und die Matratzen in andere Zimmer geschleppt oder ähnliche Neckereien gemacht, die dem jungen Paar die Freuden der ersten ehelichen Nacht mehr oder weniger verzögern sollten.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts trug die Braut ein schwarzes Kleid mit einem kleinen weißen Schleier, der Bräutigam zum (manchmal ausgeliehenen) schwarzen Anzug (Frack) einen Zylinder. War die Braut schon schwanger, musste sie auf den Schleier verzichten. Unter diesen Umständen fand die kirchliche Trauung manchmal nicht in der Briedeler Pfarrkirche, sondern z.B. in der Klosterkirche Springiersbach statt. Nach dem letzten Krieg hat sich das weiße Brautkleid mit langem Schleier schnell durchgesetzt.

Der folgende Tag war Nachbarschaftstag. Die Frauen aus der Nachbarschaft beider Brautleute sowie ggfls. auch die der neuen Wohnung kamen zu einem Kaffeeklatsch mit dem Brautpaar zusammen.

Für große Hochzeitsreisen war meist kein Geld da und das Brautpaar stand manchmal müd` und matt schon am nächsten Morgen in seinem jetzt gemeinsamen Weinberg bei der Arbeit.