Die Armenstiftung und Armenfürsorge in Briedel
Seit dem Mittelalter waren die Pfarreien für die Armenfürsorge zuständig. Meist war geregelt, dass 1/3 des Zehnten für soziale Zwecke aufzuwenden war.
Da Briedel dem Kloster Himmerod inkorporiert war, war die hiesige Kirchengemeinde keine eigene Pfarrei sondern juristisch nur noch eine Filiale des Klosters Himmerod. Dies hatte auch zur Folge, dass alle Erträge und Vermögensteile dem Kloster gehörten. Die Kirchengemeinde Briedel selbst hatte daher keine Möglichkeit, eigenes Vermögen aufzubauen und blieb bis zur heutigen Zeit eine relativ arme Kirchengemeinde.
Das Kirchenfabrikvermögen, das zum Unterhalt und Bau der Kirche zweckgebunden war, wurde vom Kloster verwaltet und beim Neubau des Gotteshauses 1774 ff. auch eingesetzt. Aus manchen Unterlagen ersehen wir, dass es über die Zuweisung und den Verbrauch dieser Mittel immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kloster und der Zivilgemeinde als Vertreter der Briedeler Pfarrkinder gab.
Neben der Armenfürsorge, die nur kleine und zweckgebundene bare Hilfen gewährte, bestand ein weiterer Kapitalstock, die Armenstiftung/Armenfonds. Hier wurden alle Erträge aus zweckgebundenen Stiftungen gesammelt wie Messstiftungen/Anniversarien etc. Während gestiftete und vererbte Grundstücke dem Kloster zufielen, wurden die Barstiftungen getrennt im Armenfonds in Briedel gesammelt. Weiter kamen dazu einige größere Geldspenden, die der Kirchengemeinde zweckgebunden übergeben wurden mit der Auflage, aus deren Erträgen die Armen zu unterstützen. Die Verwaltung erfolgte durch den „Almosenmeister", der vom Pfarrer nach Abstimmung mit der Zivilgemeinde ernannt wurde. Dieses angesammelte Kapital suchte ertragbringende Anlageformen. Es gab noch keine Banken und die Tagelöhner und Winzer hatten nur die Chance, bei privaten Geldverleihern Kredit zu bekommen. Die waren aber teuer und durch restriktive Handhabung bei der Rückzahlung sind viele dadurch noch weiter verarmt. So bot es sich an, dass der Armenfonds Darlehn an Pfarrkinder gewährte. In den überlieferten Akten finden sich seit mindestens 1725 entsprechende Darlehensverträge.
Während in der Säkularisation unter der französischen Okkupation das allgemeine klösterliche Vermögen eingezogen wurde, blieb das reine Pfarreivermögen und deren Stiftungen überwiegend unbehelligt. Mit der Auflösung des Klosters entfiel die 500-jährige Bindung an Himmerod und Briedel wurde wieder eine eigenständige Pfarrei. Da die klösterlichen und kirchlichen Strukturen nicht mehr bestanden, wurden die Kirchenräthe (Kirchenvorstand) als juristisches Organ eingeführt und ihnen die Vermögensverwaltung der Pfarrgemeinden übertragen. Auch der Umgang mit altem Stiftungsvermögen und das damit zusammenhängende Kreditgeschäft fand einheitliche Vorschriften. Aus den Protokollen erkennen wir, dass das Darlehensgeschäft ein nennenswerter Teil ihrer Arbeit war, zu dessen Abwicklung weiter der Almosenmeister eingesetzt wurde. Zeitweise sind in den Kapitalienbüchern und Vermögensverzeichnissen bis zu 40 Kreditnehmerfamilien aufgeführt, die meist 4 Prozent Zinsen zahlten. Stundungen von Zinsen und Rückzahlungen waren, insbesondere in den Zeiten der Weinkrisen, keine Seltenheit. Mehrfach begegnet uns auch der Eintrag „gerichtlich verjährt" bei Zinsen und sogar beim Kapital. Die größeren Kredite wurden schon damals hypothekarisch abgesichert, wodurch, so zeigen es die Unterlagen, das Geld des Fonds gerettet werden konnte. Größter Schuldner war jedoch immer die Zivilgemeinde Briedel. Diese musste einmal einen Sonderhieb im Wald vornehmen, um ein fälliges Darlehn zurückzahlen zu können.
Im Jahre 1891 stiftete ein Briedeler Ehepaar noch 1.000 Thaler für den Armenfonds mit der Auflage, dass mit den Erträgen u.a. jährlich die zwei ärmsten Kommunionkinder eingekleidet werden sollten.
Der Kreditbedarf der Winzer in der großen Weinkrise Ende des 19. Jhdt. konnte vom Almosenfonds nicht befriedigt werden. So wurde 1895 mit der Gründung des Briedeler Spar- und Darlehnskassenvereins (heute die Raiffeisenbank Zeller Land) den Briedeler Bürgern ein Zugang zum freien Kapitalmarkt und zu Krediten geöffnet. Pastor Paeltzer war maßgeblich an der Gründung beteiligt und noch viele Jahre als Vorsitzender des Aufsichtsrates tätig. Die Kirchendarlehn wurden danach Zug um Zug auf die gegründete Genossenschaft übertragen.
Das geistliche Vermögen und die Einnahmen, die für die soziale Arbeit bestimmt waren, fehlte nach der Verstaatlichung. So wies die neue napoleonische Gesetzgebung die Aufgabe der Armenfürsorge den zivilen Gemeinden zu. Die Gemeinde Briedel richtete dazu eine Armenkasse ein und erhob zur Mitfinanzierung u.a. eine zweckgebundene Hundesteuer. Die öffentlichen Hilfen bestanden überwiegend aus baren Unterstützungsleistungen. So wurden einigen Auswandererfamilien Zuschüsse zu den Überfahrtskosten gewährt, „da diese ansonsten der gemeindlichen Armenkasse zur Last fallen". Kredite vergab die Gemeinde keine, da ihr ja kein Kapitalstock zur Verfügung stand.
Die Zivilgemeinde Briedel verweigerte 1823 die Rückzahlung ihrer Kredite gegenüber dem Almosenfonds mit Bezug auf französische und preußische Gesetze, nach denen die Kommunen Ansprüche aufgehobener geistlicher Stiftungen nicht mehr zu erfüllen brauchten. Nach langen Verhandlungen unter Moderation des Landrats entschied 1832 die rheinpreußische Provinzialregierung in Koblenz, dass es sich beim Briedeler Almosenfonds um eine private Stiftung handele, deren Ansprüche von der Gemeinde zu erfüllen seien.
Heute werden die Stiftungen innerhalb des allgemeinen Pfarrvermögens verwaltet.